Gelegentlich kann es doch vorkommen, dass die Leere dermaßen bleiern im Gehirn sitzt, dass gar nichts anderes mehr geht, als sich berieseln zu lassen. Man könnte sich an solchen Tagen dem Fernsehen zuwenden – oder eben das Equivalent von Unterhaltung in Buchform suchen.
Der Waliser Jasper Fforde – einstmals Kameramann und erfolgloser Bücherschreiber, nunmehr etablierter Science-Fiction-Autor – hat eine Reihe ganz und gar harmloser Abenteuer zu Papier gebracht, in denen eine junge Frau als Agentin in Bücher einsteigt und sowohl die literarische wie die reale Welt zu retten hat – also wirklich nichts Weltbewegendes. Wohltuend ist in erster Linie der feine britische Humor.
Auch im mittlerweile fünften übersetzten Abentuer Irgendwo ganz anders braust seine Heldin Thursday Next in atemberaubender Geschwindigkeit durch die englische Literatur: man ist dabei als Nicht-Brite jedesmal aufs Neue verwundert, welchen Schmus man dort als hehres Erbe betrachtet. Hier scheint der beißende Humor von Jasper Fforde sich ehrerbietig zurück zu halten. Aber gut.
Neben dem Eigenleben, das sich innerhalb der Bücher abspielt, wenn sie grade nicht gelesen werden, hat Fforde seinem
England einen kleinen historischen Schubs zur Seite verpasst: die Deutschen haben den ersten Weltkrieg gewonnen, Luftschiffe haben sich durchgesetzt und Wales ist sozialistische Republik. Folglich geht die Mauer durch den Süden Englands. Dafür haben die Waliser Käse, den zu schmuggeln und illegal zu handeln sich ausserordentlich lohnt.
Englands Regierung kämpft aufgrund der Vernünftigkeit ihres Tuns mit gigantischen Mengen angestauter, weil unverbrauchter Dummheit – und die droht langsam zu einem Problem zu werden. Ergo gibt es täglich neue Ideen, wie man merkliche Quantitäten dieser Dummheit verbrauchen könnte – und der Premier Minister spricht regelmäßig dazu.
Dazu noch wurde von der ChronoGarde die Retro-Defizit-Technologie entwickelt: sie sind dahinter gekommen, dass wenn man davon ausgehen kann, dass etwas in Zukunft entwickelt werden wird, man es doch gleich auch heute schon benutzen kann. Dumm nur, dass grade jetzt sich herausstellt, dass Zeitreisen niemals erfunden werden dürften. Das scheint die gesamte ChronoGarde um ihre Existenz zu bringen. Entsprechend verwirren sich die Dinge, da man bis zum Beweis des Gegenteils ja einfach in die Zukunft reisen kann, um nachzusehen, wie die Dinge ausgehen, oder in die Vergangenheit, um gewisse Probleme an der Wurzel zu lösen. Aber wenn das alles eigentlich überhaupt nicht geht und niemals gehen wird? Die EreignisLinie der StandardGeschichte könnte zusammenbrechen.
Das alles hat mit Leuten aus Thursday Next’s nächster Umgebung zu tun, die sich heute und jetzt komisch verhalten, weil sie mal in die Zukunft geguckt haben und seither wissen, dass sie dort partout nicht hin wollen… Auch sorgt ein Gedankenwurm dafür, dass Thursday sich eine dritte Tochter einbildet, die ihre Abendessen stets auf dem Zimmer einnimmt und dummerweise immer grad weg war, wenn jemals ein Erinnerungsfoto geschossen wurde.
Abenteuer Nummer fünf beginnt etwas zäh, entwickelt aber einen kurvenreichen Plot, in dessen Verlauf, wie könnte es anders sein, die meisten Beteiligten mehrmals die Seiten wechseln, nichts ist, was es scheint – und sogar die Verbrecher der fiktionalen Welt es auf Thursday Next abgesehen haben.
Wirklich extrem gut gegen Leere im Kopf.