Unerschütterlicher Optimismus

Wer wirklich glaubt, dass die schwarzen Afrikaner ein funktionierendes schwarzes Afrika hinkriegen werden, ist wohl ein unerschütterlicher Optimist.

Alleine werden sie das wohl kaum schaffen. Selbst vorausgesetzt, dass sie zur Abwechslung einmal bereit wären, zu lernen, Fertigkeiten und Wissen zu erwerben, brauchen sie doch jemand, der sich das mit ihnen antut. So jedenfalls könnte man die Botschaft verstehen, die der deutsche Journalist Hans-Joachim Löwer in seinem Buch Im Land des Hasses: Undercover durch Simbabwe verbreitet.

Gerade das Schlusskapitel bestärkt diesen Eindruck: in Sambia ist endlich insoweit Vernunft in der Regierung eingekehrt, als man sich der aus Simbabwe vertriebenen weissen Farmer und Experten bedient, um die eigene Landwirtschaft aus der Subsistenz- in eine Exportökonomie umzuwandeln. Und das trägt Früchte, sogar in sehr kurzer Zeit. Afrika muss also nicht verloren sein. Allerdings hat auch so ein erfolgreicher Farmer, der nochmals neu durchstartet und wieder Erfolg hat, seine zutiefst afrikanischen Sorgen und Ängste:

Zugleich wird ihn eine ständige Angst begleiten, die Angst vor dem Neid der anderen. Er spricht nicht viel darüberm aber ich merke an Andeutungen, wie rief sie in seinem Innern sitzt. Die Angst, dass auch aus Sambia wieder Simbabwe wird, wenn es neue Reichtümer zu verteilen gibt.

Das rührt an die Wurzel der Fehlentwicklungen dieses Kontinents, und zeigt zugleich auch den zerstörerischen Einfluss sozialistischer Ideen über die Gesellschaft und die Ökonomie auf: es ist nämlich nicht bloss Neid, was die einen dazu treibt, den anderen etwas wegzunehmen – es ist ein politisches Programm, das jedoch selbst in seiner wohlmeinendsten Facette, den Armen zu geben, was die Reichen ihnen vorenthalten, die Grundlagen funktionierenden Wirtschaftens negiert und damit seinen eigenen Untergang mit in sich trägt.

Denn entgegen der Prophezeihung von Marx, der Kapitalismus trage den Keim seines Untergangs in sich, ist es der Sozialismus, der nicht funktioniert, weil er nicht funktionieren kann. Aber in Afrika geht es nicht um die hohe Theorie solcher oder anderer weltanschaulicher Ökonomiedebatten: hier sind es die handelnden Sozialisten, die sich als Gauner herausstellen. Sozialismus in Afrika ist ein Vehikel, zur Macht zu gelangen. Vom Wirtschaften haben sogar die sowjetischen Planer mehr verstanden als diese Revolutionäre und Putschisten.

Löwer hat 2007 Simbabwe inkognito bereist, getarnt als Rucksacktourist, denn als Journalist hätte er keine Möglichkeit gehabt zu arbeiten, wie man sich das bei uns vorstellt. Natürlich ist daraus ein einseitiges Buch geworden: die Regierung kommt darin nicht zu Wort. Aber das ist wohl auch nicht die Aufgabe eines solchen Unternehmens, denn erzählt wird die Geschichte des Niedergangs eines einstmals prosperierenden Landes, das von einer anmassenden Elite ausgeplündert wird.

Seine Porträts weisser Farmer, die ihre aufreibenden Kämpfe gegen die Ineffizienz, Rechtlosigkeit und gewaltsame Enteignung nach und nach verlieren und aufgeben müssen, illustrieren das Problem afrikanischer Gesellschaften – man darf aber nicht sagen, post-kolonialer Gesellschaften, denn in anderen Weltregionen ist der Weg von der Entkolonialisierung bis heute anders und in der Mehrzahl wesentlich erfolgreicher verlaufen.

Der große Unterschied scheint darin zu liegen, dass die Menschen in den Ländern Asiens hart arbeiten, um sich aus der Misere zu befreien. Gestartet sind sie alle irgendwann in den Wirren der Entkolonialisiserung, gestritten haben sie viel, Kriege und Bürgerkriege erlebt, den Sozialismus bis hin zu Pol Pots vernichtender Diktatur – aber sie sind immer wieder rasch zurück an die Arbeit gegangen.

Afrika scheint diese Entwicklung vollkommen verschlafen zu haben. Aber man darf es eigentlich nicht dabei bewenden lassen, selbst wenn vorherzusehen ist, dass das in nur einer oder vielleicht sogar einer Handvoll Generationen nicht zu schaffen ist. Denn es geht um Entwicklung – und das Geld, das reichere Länder in den Kontinent pumpen, ist damit nicht gemeint!

Es gibt sicher das Know-How, das die Länder südlich der Sahara brauchen, um ihre Regierungen, Verwaltungen und Gesellschaften neu zu organisieren, sodass Wirtschaften wieder möglich wird; und natürlich gibt es auch das Know-How, um selbst auf einem angeblich so problematischen Kontinent wie Afrika die Menschen zu ernähren und Wohlstand zu erzeugen.

Das Problem dabei ist: das ist eine neue Form des Kolonialismus oder Imperialismus, wie immer man das nennen will. Denn man muss ihnen von Grund auf dabei helfen, funktionierende Institutionen aufzubauen und nicht permanent in die Fallen zu tappen, in die sie andauernd tappen – und aus denen es bekanntermassen kaum je einen Ausweg gibt. Selbst in den besten Fällen reicht die Geduld der Menschen – oder mancher Gruppen von ihnen – nicht aus, einen Weg auch gegen Rückschläge weiter zu verfolgen. Dazu müßten sie ihren westlichen Partnern glauben, dass er langfristig profitabler ist, dass das kurzfristige Kassemachen schneller die kleinen Fortschritte wieder auffrisst, als man schauen kann.

Wenn man aber den Menschen in Afrika ihren Stolz und ihre Selbständigkeit lassen möchte, dann muss man sich aber auch zurücklehnen können, um abzuwarten, was sie zuwege bringen. Und man muss aufhören, andauernd Geld in diese Länder zu pumpen, da es die einfachste Einnahmequelle darstellt, die ihre korrupten Eliten haben – zumindest muss man damit aufhören in den Fällen, in denen schlechte Regierungen und Verwaltungen sich daran mästen. Das verlängert ihre Lebensdauer und kostet ihren Bevölkerungen langfristig mehr Opfer, als man mit dieser Hilfe kurzfristig vermeiden kann.

Das klingt menschenverachtend und perfide. Das ist es auch. Aber die Realität ist noch viel perfider: ändern wird sich auch an den Massnahmen, die von der sogenannten entwickelten Welt getroffen werden, um Afrika zu helfen, erst etwas, wenn es für uns entsprechenden ökonomischen Druck gibt – das ist wie mit der Umwelt. Was wir derzeit von Afrika wollen, ist Ruhe, Dämpfung für eine allgemeine anonyme Beunruhigung, Ausreden für ein schlechtes Gewissen. Das ist keine Basis für eine Lösung.

Genausowenig, wie es eine Basis für Entwicklung ist, die Hand aufzuhalten. Es gehört wirklich ein unerschütterlicher Optimismus dazu, daran zu glauben, dass in diesem Afrika irgendetwas sich in absehbarer Zeit zum bleibend Besseren wenden wird.

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