Wie sich schon an Protagonisten der Französischen zeigen läßt, haben Revolutionen einen Haken: sie fressen ihre Kinder, so naturgemäß auch die Russische.
Der Klappentext des bei propyläen erschienenen Buches Trotzki – Der verratene Revolutionär von Bertrand M. Patenaude verheisst eine Biografie – doch hat der amerikanische Historiker keine klassische Biografie geschrieben.
Zwar steht irgendwie die Gestalt des Leo Bronstein alias Trotzki im Mittelpunkt, doch dreht sich der überwiegende Teil des Textes um Trotzki im Exil in Mexiko: es geht mehr um die Chimäre jener IV. Internationale, die der aus dem real existierenden Sozialismus gejagte einstige Weggefährte Lenins gegen seinen Widersacher Stalin zu etablieren suchte, um die amerikanischen Trotzkisten, von denen all das Geld kam, dessen Trotzki und seine Frau im Exil in Mexiko City bedurften, ebenso wie die Leibwächter und Sekretäre, die aus den Reihen der amerikanischen Organisation kamen, sowie um die Figuren der mexikanischen Linken von Frida Kahlo, mit der der alte Trotzki angeblich noch ein Verhältnis anfing, bis zu ihrem Mann Diego Rivera, der sich zunächst als Föderer Trotzkis gerierte und dann zu seinen Feinden wechselte – und über den sowjetischen Geheimdienst, dem Stalin in den Dreißiger Jahren die Tötung des exilierten Staatsfeinds auftrug, nachdem er als Buhmann der großen Schauprozesse seine Schuldigkeit getan hatte.
Zum anderen ist die zeitliche Kontinuität zugunsten eines eher romanhaften Spannungsbogens durchbrochen, es beginnt mit dem letzten Attentat, das Trotzki noch überlebt, und endet mit seinem Tod in Folge des schlussendlich erfolgreichen Anschlags, um dazwischen in Exkursen auf Stationen seines Lebens einzugehen.
Die bei Biografien hierzulande nicht so sehr im Vordergrund stehende Forderung nach spannender Lektüre ist damit jedoch erfüllt. Viele Perioden in Trotzkis Leben bleiben in diesem erzählerischen Mosaik jedoch unbeleuchtet und knapp, es gibt eine eindeutige Schwerpunktsetzung auf den späten Trotzki, den Exilierten, den aufs Abstellgleis geschobenen Gegner Stalins, das Freiwild der GPU. Der siegreiche Trotzki des Bürgerkriegs steht bestenfalls als schemenhafte Erinnerung in den Nebeln der Vergangenheit. Auch der intellektuelle Widerpart Lenins in den Zeiten des ersten Exils vor der Revolution wird nur dann und wann beschlagleuchtet.
Eine Biografie ist das nicht – doch man muss dem Autor zugute halten, dass das im Buch selber auch gar nicht behauptet wird. Womöglich ist das einer jener Irrtümer, die Verlage nicht so ganz unabsichtlich begehen – schließlich wäre ein Buch über Trotzki und die amerikanische Linke nicht wirklich gut zu verkaufen bei uns. Und das ist zugleich die Warnung vor diesem Werk.