Abgang ohne Verstauchung

Sie kennen das: der Vorhang geht auf, die Bühne offenbart sich – und man glaubt fast, einem Erstickungsanfall zu erliegen. So viel Staub, so viel Klamotte aus einem längst vergangenen Jahrhundert tummelt sich da. Wobei: tummeln ist ja schon ein Wort für das Movens; allein, Bewegung findet hier nicht statt. Ein Name drängt sich auf: Otto Schenk?

Nein, es ist diesmal nicht der Großmeister der kleinen Ideen gewesen, wie mich der Theaterzettel belehrte. Und derStandard.at weiss zu berichten, dass die Show in der letzten Spielzeit schon 500 Aufführungen und 48 Jahre auf dem Buckel hatte. Na ja dann. Das ganze Gespinst ist sozusagen noch original. Nun könnte man der Frage nachgehen, was ausser rein musealen Interessen eine Institution wie die Wiener Staatsoper dazu bewegen mag, so einen alten Schmus auch noch aufzuführen? Geschenkt! Das überlebt eine gute Oper – wenn auch nicht einzusehen ist, warum sie es überleben muss

Die Tosca schwebt über all dem und nichts ficht sie an. Puccini’s Meisterwerk hält auch das aus. Man ist ihm direkt dankbar für solch unverwüstliche Arbeit. Und an diesem Abend der 66jährige Plácido Domingo, der nicht singt sondern das Staatsopernorchester dirigiert. Eingangs fast ein Wenig laut den Sängern gegenüber, doch die Musik Puccinis rechtfertigt sich selbst.

Leider gab’s nicht Shicoff zu hören, doch auch Johan Botha gab einen, wenn auch unglaubwürdig beleibten Cavaradossi. Passend in diesem Fall bestens zur nicht minder wuzeligen Violeta Urmana. Singen tun sie ja allerfeinst, so wie es musikalisch rein gar nichts zu klagen gab. Aber wenn man in der Oper die Augen zumachen muss, um einigermassen auf seinen Genuss zu kommen, dann ist das halt auch nicht im Sinne des Erfinders. Denn wegen der drückenden Schwüle und der engen Sitze geht meinereiner gewiss nicht hin.

Auch nicht wegen der G’schichten oder allfälliger schauspielerischer Leistungen: einigermassen erstaunt bleibt man nach dem Paukenschlagfinale zurück, wenn die nicht wirklich gelenkig aussehende Tosca sich mutig von der Engelsburg in den Tod stürzt. Ehrlich! Man macht sich Sorgen um die arme Frau! Das schaut nach Knochenbrüchen oder zumindest schmerzhaften Verrenkungen aus, wenn jemand so Ungelenkiger sich theaterwirksam hinabstürzt! Allein, wenn sie vor den Vorhang tritt, hatscht sie nicht. Alles gut. Abgang ohne Verstauchung.

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