Berlinische Reise (1)

Natürlich nicht zum ersten Mal, doch wiedermal: ein paar Tage Berlin – und an den Rändern auch ein Wenig Zeit für die Stadt. Die präsentiert sich schon in Anflug aus dem wunderschönen Spätsommernachmittag (Herbst wird’s ja erst morgen) luftig und grün, mit weiten Straßen, Alleen, Grünflächen. Das ist gleich vom ersten Augenblick an sympatisch – in höherem Maße als Wien.
Wie ich von früher weiß: es lebt sich da auch mit etwas mehr Qualität. Das liegt an einer stärkeren Durchmischung mit anderen Kulturen, nicht nur dem gesamtdeutschen Döner-Phänomen. Berlin ist – noch immer – nicht wieder klassisch deutsch geworden, ein Wenig von der Grenz- und Mauerstadt ist geblieben.
Auch die Mauer ist noch nicht wirklich weg: folgt man der Friedrichstraße aus der Gegend Unter den Linden südwärts, durchquert man den Nobelbereich des ehemaligen Ostens, der heute an Hochglanz-Kaufhäusern und Einkaufstempeln hochgezogen ist, eine öde, leere und tote Ecke – bis man an die Mauer kommt: hier, am Checkpoint Charlie, verläuft eine Linie quer über die Straße, um die ehemalige Mauer anzuzeigen…
Als ob das nötig wäre! Man überquert sie, und findet sich – nur ein paar Schritte von den unsäglichen Galleries Lafayettes entfernt – in Kreuzberg mit seinen Multikulti-Imbiß-Lokalen, türkischen und asiatischen Geschäften, kurz: in einer lebendigen Umgebung. Die Mauer verläuft – zumindest hier – also immer noch mitten durch.
Ein anderes Berlin ist jenes, das genau diese Vielfalt nicht ertragen will: es gibt immer mal wieder sichtbar in den Straßen die Clientele der Rechten, selten nüchtern, meistens polternd und krakeelend, dabei sämtliche Stereotypen breit auslebend. Einer der Minuspunkte Berlins gegenüber Wien: die Wiener wählen zwar auch in erschreckend hohem Maß ausländerfeindliche Partei(en), aber wie schon früher äußert sich das eher latent als öffentlich. Ob das weniger gefährlich ist, sei dahingestellt. Diese schlummernde Nachbarschaftsfeindschaft ist schon einmal einem Teil der Bevölkerung zum Verhängnis geworden.
Kulturelle Vielfalt ist eben mehr als das erweiterte Angebot ethnischer Küche. Wobei generell die Gastronomie weniger frech mit ihren Preisen ist, als man das aus Österreich gewohnt ist. Die Berliner jammern genauso wie die Wiener über den Teuro in den Lokalen, doch für uns macht sich’s positiv bemerkbar. Vor allem im Bereich um die Oranienstraße oder südlich der Gneisenaustraße entfaltet sich die Mischung dieser Stadt eindeutig weiter und freundlicher, als sie das in Wien irgendwo täte.

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