Es ist einwandfrei Brahms – das Klavierquartett Opus 25 – und doch wieder nicht. Klar, zum ersten ist es eine Bearbeitung für Orchester. Zum anderen, und da wird die Geschichte haarig, klingt es viel zu modern.
Bisweilen denke ich, das Stück könnte von Schönberg sein. Und das ist es dann auch, als ich die Details erfahre: Arnold Schönberg hat 1937, längst zurückgekehrt aus dem von den Nazis überrannten Berlin, und doch nicht wirklich wieder heimisch geworden im klerikal-provinziellen Wien, Brahms‘ Klavierquartett für großes Orchester gesetzt – nicht ohne deutliche Spuren seiner Handschrift zu hinterlassen.
Es sind, davon kann man immer ausgehen, die Dissonanzen, wie sie seit Beethoven (oder im leichteren Fall seit Mozarts Dissonanzen-Quartett) in die tonale Musik Eingang gefunden haben, die hier die Anknüpfungspunkte bilden. Schönberg vefgewaltigt nicht das Brahm’sche Material – Brahms selbst kann Dissonanzen fruchtbar machen, insoferne ist er schon ein Romantiker, der sich verabschiedet.
Andererseits ist Schönberg in diesem Jahr 1937 bereits abgeklärt, hinausgeschritten über die technische Ebene der von ihm erfundenen neuen Musik – Adorno schreibt in der Philosophie der neuen Musik:
Die großen Momente des späten Schönberg sind gegen die Zwölftonmusik so gut wie durch sie gewonnen. Durch sie: weil die Musik befähigt wird, so kalt und unerbittlich sich zu verhalten, wie es ihr nach dem untergang einzig noch zukommt. Gegen die Zwölftontechnik: weil der Geist, der sie ersann, seiner selbst mächtig genug blieb, um noch das Gefüge ihrer Stangen, Schrauben und Gewinde je und je zu durchfahren und aufleuten zu machen, als wäre er bereit, am Ende doch das technische Kunstwerk katastrophisch zu zerstören.
Zu hören auf der Einspielung Schönberg-Orchestrierungen Bach / Brahms mit Christoph Eschenbach und Houston Symphony:
Hier tritt ein zutiefst moderner Klangkörper an die Rhythmik und Melodik der deutschen Romantik. Fast alle Kammermusik, die nach dem großen Orchester transponiert wird, weist Brüche auf, welche die anderen original fürs Orchester geschriebenen Stücke derselben Meister nicht zeigen – hier kommt noch die Koloristik des späten Schönberg hinzu. Ein spannendes Stück Musik aus den Grenzregionen zwischen Konsonanz und Dissonanz.