Das Alte und das Neue im ‚jüdischen‘ Jazz

Gerade im Jazz ist ja das fortgeschrittene Alter eines Musikers nicht unbedingt von Übel – man denke nur an Lionel Hampton, der mit über 90 noch große Konzertsäle in Schwingung versetzte. Aber es ist auch keineswegs eine Garantie, dass dabei etwas herauskommt, was man auch hören will.

Der einstmals energetische Meister der Klezmer-Klarinette, Giora Feidman, bespielte mit 75 im Rahmen des Festivals Spot On Jiddishkeit den Großen Saal des Wiener Konzerthauses – und man muss leider sagen, es war der reine Kindergarten.

Der Mann kann zweifellos etwas auf seinem Instrument, aber sein Verständnis von Musik scheint inzwischen – ja was nun? – entweder senil überwuchert oder infantil retardiert… Einerlei! Es kommt das gleiche dabei heraus: hübsche harmlose Melodiechen, so sauber gespielt, dass sie schon klinisch tot sind. Und allein das Ausloten aller Stufen leiser Töne macht noch keine Dynamik. Seine Begleiter Jens-Uwe Popp, Gitarre, und Guido Jäger am Kontrabass zeigten sich dem bestenfalls angemessen – aber irgendwie lustlos. Was man verstehen kann. Den Weg ins Konzerthaus hätte man sich genauso schenken können wie Herr Feidman den seinen übern großen Teich herüber. Aber so ist das: er wurde natürlich heftig beklatscht.

Zum Glück bot das Festival ja anschliessend ein Energiebündel der neuen isralischen Jazz-Landschaft: das Trio des gefragten Bassisten Avishai Cohen – und das kann dann wirklich etwas! Der Neue Saal ist zunächst zum Bersten voll, da scharen sich – aus welchem Irrtum heraus auch immer – selbst die graumelierten Herren und Damen aus dem Großen Saal, um auf dem nackten Boden zu sitzen, man möchte fast in tiefes Erstaunen verfallen. Doch nach dem ersten Stück, das ziemlich genau mitten aus der aktuellen Entwicklung dieser Musik stammte, setzte der Abgang ein. Die verbleibenden Enthusiasten aber bekamen ein erstklassiges, vielfältiges – wenn auch von der Struktur des Festivals bedingt kurzes – Konzert von nur einem Set zu hören. Mehrheitlich waren es Stücke aus der neuen, zehnten CD in eben dieser Trio-Besetzung: Gently Disturbed (über diese selbst in ein paar Tagen mehr).

Cohen ist ein Virtuose seines Instruments – und einer der wenigen, die den Bass als wirkliches Leadinstrument eines Trios spielen. Zwischen durchaus swingenden Rhythmen lotet er die technischen und akustischen Fähigkeiten des Basses aus – bis hin zu seiner Verwendung als Perkussionsinstrument. Die vielfältig in den Kompositionen und Improvisationen auftauchenden Rhythmen israelisch-arabischer Herkunft packen alelrdings diese Virtuosität in einen gut geerdeten Zusammenhang.

Der junge Pianist des Trios, Shai Maestro, ist ein sparsamer Beiträger, wie ihn sich gerade eine kleine Besetzung wie diese nur wünschen kann: gekonnte Akzentuierung eben sowohl durch das Anschlagen der Tasten wie das Geltenlassen der Pausen zieht immer wieder erstaunliche Spannungsbögen durch die Piani. Die solide Rhythmusarbeit von Mark Guiliana am Schlagwerk trägt vor allem durch die in kräftigem Forte vorgetragenen Passagen, aber auch er vermag überraschende akzente zu setzen.

So klingt, was recht alt begann, um Mitternach dann doch noch überragend neu aus!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ein Gedanke zu “Das Alte und das Neue im ‚jüdischen‘ Jazz”