Demokratie und Freiheit

Hier liegt schon länger eine tief sitzende Verwechslung vor: wir leben ganz gut in unserer Demokratie, doch mit Freiheit hat das wenig zu tun. Die Lenkungen und Vorschriften sind überbordend, die Umschichtungen von produktiven Einkommen in unproduktive Kanäle nehmen horrende Ausmasse an – und die von uns gewählten Vertreter denken gar nicht daran, irgendetwas im Sinne ihres Auftrags zu arbeiten.

Wohl ist diese Demokratie jeder anderen Form der Regierung vorzuziehen, aber darüber kann man geteilter Meinung sein, wie der anarchokapitalistische Theoretiker und Habermas-Schüler Hans-Hermann Hoppe in seinem bisherigen Hauptwerk Demokratie. Der Gott, der keiner ist verficht:

Seiner Meinung nach wäre die Monarchie eine der Demokratie vorzuziehende Regierungsform. Das ist zwar nicht Ziel seiner Argumentation, doch näher ansehen muss man sich das allemal.

Vereinfacht gesagt, glaubt Hoppe fest daran, dass der private Besitz dafür sorgt, dass berechenbares, beharrend wohlergehensorientiertes Handeln die Oberhand gewinnt, da vernünftiges Denken stets die Erhaltung der eigenen Basis und der künftigen Absicherung im Auge behält. Der Monarch als Privatbesitzer des Staatswesens sei damit einem Haufen verantwortungsloser Politiker vorzuziehen.

Hoppes Analyse des politischen Systems der Demokratien ist sehr zutreffend: sie neigen dazu, Werte zu vernichten, die Freiheit immer weiter einzuschränken und rationale Entscheidungen zugunsten von emotionalen Sachzwängen (eigentlich eine contradictio in adiecto) nachrangig zu behandeln. Aktuelle Themen wie das Problem der Alterssicherung sind Musterbeispiele dafür, wie wohlfeiler Populismus sich vor den Verstand stellt – aber es geht ja den Politikern nicht primär um sachliche Entscheidungen sondern um ihre eigenen Positionen.

Hoppe postuliert nun kraft logischen Denkens – aber leider vollkommen frei von Fakten -, dass ein Monarch demgegenüber weitaus mehr Interesse daran zu zeigen hätte, dass seine Basis, der Staat, den er regiert und darstellt, wirtschaftlich prosperiere und langfristig erfolgreich bleibe. Er behauptet dabei einen Egoismus der Familie.

Die Methode, von Hoppe so genannte a-priori-Theorien als Beweise einzusetzen, ist aber fragwürdig. Darunter sind dem Verstande ohne weitere empirische Untersuchung einsichtige Behauptungen gemeint, wie 3 + 1 = 4 oder jedes Objekt, das eine Form hat, hat auch eine Größe. Aber natürlich ist Hoppe mit solchen von der Naturwissenschaft untermauerten Thesen nicht gedient, denn sein Metier ist ja die Gesellschaft, die Sozialwissenschaft – und für diese lautet eine der entsprechenden a-priori-Theorien etwa:

Menschliches Handeln ist das bewußte Anstreben von wertvollen Zielen mit knappen Mitteln durch einen Handelnden.

Für ein Axiom der Sozialwissenschaft ist das reichlich komplex. Demnach wäre das viel und allerorts geübte Schiessen auf Spatzen mit überdimensionalen Kanonen nämlich was? Nicht menschliches Handeln? Der Handelnde kein Mensch? Das Ziel nicht wertvoll?

Wenn der Preis eines Produktes gesenkt wird, wird entweder dieselbe Menge oder mehr als vorher gekauft.

Das nähert sich gefährlich an eine Leerformel: zwei von drei Möglichkeiten sind abgedeckt. Doch was noch bleibt, dass nämlich weniger gekauft wird, ist immerhin ausgeschlossen – aber auch zurecht? Was ist etwa mit Schreibmaschinen? Ihr Niedergang im Zeitalter des Computers war begleitet von einem Preisverfall – und dennoch wurden bis zum völligen Ende hin weniger und weniger von ihnen verkauft, zu weiterhin fallenden Preisen.

Interpersonelle Konflikte sind nur möglich, sofern Gegenstände knapp sind

Man muss nicht allzu weit in der Geschichte der Menschheit gehen, um daran Zweifel äußern zu können. Als der erste Urmensch einen anderen erschlug, um ihm das Weib zu rauben – war natürlich das Weib ein Gegenstand, was denn sonst. Und natürlich ist (männliche) Eifersucht auch bei uns, die wir einen leichten, doch statistisch signifikanten Überhang an Frauen haben, ein Phänomen der Knappheit des Gegenstands Frau. Weibliche Eifersucht hingegen ließe sich so ja gerade noch erklären, obwohl Knappheit an Männern eine gegen Null tendierende Grenzwertigkeit ist, bei 49 zu 51 Prozent – oder so.

Das Hauptproblem, in welches Hoppe mit seiner Argumentation läuft, ist ein methodisches: wer sich gegen die Empirie sträubt und alles aus der Kraft des Verstandes zu erschaffen gedenkt, kollidiert zwangsläufig mit den Fakten. Aus diesem Dilemma führt seit ewigen philosophischen Zeiten nur die Negation der Existenz der realen Welt – im Idealismus ist alles hinreichend ideal, um solchen Methoden keinen Sand ins Getriebe zu streuen.

Es wäre in der Tat lohnenswert, den langen Weg empirischer Untersuchung zu gehen, gerade bei einem Thema wie diesem. An den Fakten vorbei haben schon manche die Welt erklärt, und durchaus in sich logische Systeme sind dabei herausgekommen: Herr Marx, von dem hier schon öfter die Rede war, hat auch vorhergesagt, dass nach dem Sozialismus die klassenlose Gesellschaft käme, ohne sich weiter um die Details zu kümmern. Das ist elendige Poesie: Karl Popper hat dagegen angeschrieben.

Damals standen die Proponenten der poetischen Welterklärung im Lager des Sozialismus. Heute stehen sie – mit ganz gleichen Methoden – im Lager des extremen Kapitalismus. An der Problematik, dass ohne den Blick auf die Fakten keine wissenschaftlich haltbaren Aussagen zu treffen sind, hat sich jedoch nichts geändert.

Aber dennoch: Hoppe ist zuzustimmen, dass unsere derzeit geübte Demokratie eine recht kostspiele Wertevernichtung ist – und dass wir unseren Wohlstand nicht dank sondern trotz des real existierenden Demokratieunwesens erlangt haben. Auch ich bin ein Anhänger der Theorie, dass wirtschaftliche Entwicklung von wirtschaftlicher Freiheit befördert wird und umgekehrt von Reglementierung und staatlichen Eingriffen gebremst.

Wieweit ein Monarch das besser hinkriegte, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Diese Möglichkeit soll nicht ab ovo abgelehnt und verworfen werden, aber Hoppes a-priori-Theorien als Argumentation sind dürftig und genügen nicht dem Anspruch gründlicher Untersuchung.

Dabei ist das noch gar nicht das Thema des Buches. Seine ganze Liebe gilt der natürlichen Ordnung! Und das ist hinwieder etwas, vor dem man sich tatsächlich fürchten darf… Und zwar weil es eine wacklige Utopie an die Stelle ernsthaften Arbeitens an diagnostizierten Problemen stellt. Da unterscheidet sich Hoppe nicht von Marx. Das sollte ihm eigentlich zu denken geben, schliesslich hat er ja, im Gegensatz zum ollen Marx, nicht nur ordentlich studiert und promoviert sondern auch sich habilitiert. Man sollte also erwarten können, dass der Universitätsprofessor Hoppe (University of Nevada, Las Vegas) ein Wenig mehr Ernsthaftigkeit an den Tag lege – das Anliegen hätt’s verdient.

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