Da kann man sich glatt fürchten! Der alpenländische Staatsfernsehsender startet heute in eine neue Ära. Also, nur um das vorneweg klarzustellen: nicht in eine Zeit gebührenfreier Programmqualität; eher im mehrfachen Gegenteil.
Frau Generaldirektor Lindners „alles bleibt besser“-Programm haucht sein Leben kontinuierlichen Reichweitenschwundes nunmehr aus – und macht Platz, nein Sendezeit für die größte Programmreform aller Zeiten. Schon seit der Früh trompetet und paukt der ORF uns das auf allen Fernseh- und Radiokanälen ins Seher- und Hörerhirn. Kein noch so dummes (Ö3) oder intelligentes (Ö1) Radio-Magazin, das uns nicht in stolzgeschwellter Stelzensprache darauf hinwiese. Und das Fernsehen verwandelt sich in ein Nahsehen, der ORF stellt sich selber in den Mittelpunkt aller Berichterstattung.
Das kann, böse geunkt, ja nur schiefgehen. Ein Erwartungsdruck wird da aufgebaut, dem man als Seher und Gebührenzahler (oder Schwarzseher) eigentlich nur auf zweierlei Arten begegnen kann: entweder man steigt drauf ein und läßt sich von der nachfolgenden Kleinebrötchenbäckerei enttäuschen – oder man kriegt einen Cholerischen und wendet sich alsgleich ab.
Um es kurz zu machen: ein paar kosmetische Überholungen bei einigen Sendeformaten werden schon was bringen. Der Umbau des Kulturmontags wird den Leuten voraussichtlich sonstwo vorbeigehen. Die unselige Vera wird am Sonntag auch keine bessere Figur machen an den anderen Sendetagen ihres bisherigen Scheiterns. Das Herzstück der Reform, die Aufgabe der simultanen Ausstrahlung der Hauptabend-Nachrichten auf beiden Kanälen (vulgo Durchschaltung), ist eine seitlanger Zeit schon sich ankündigende Notwendigkeit. Das hat im Zeitalter des Mehrkanalhaushalts keine Existenzberechtigung mehr. Jedoch: das für die junge Zielgruppe geplante halblustige Sitcom-Spektakel birgt – wie alle täglichen Formate – ein hohes Flop-Risiko. Kurz rückgerechnet über die letzten Jahre ergibt sich eine Durchfallquote von etwa 80% bei Sitcom- und Soap-Formaten, speziell den täglichen. Wollen wir konzedieren, dass die vielen verzweifelten Österreicher vor ihren Flimmerkisten vielleicht ein heimisches Programm etwas warmherziger empfangen: geben wir ihm halt branchenunübliche 50% Chance.
Der Rest klingt eher dürftig: eine Szene-Magazin junger Prägung (ca. 7 Minuten Dauer) kurz vor acht Uhr, eine knappe jugendliche Nachrichtensendung (von ebenfalls etwa 7 Minuten Länge) kurz nach acht Uhr – das klingt in keiner Weise wie eine Programmierung mit Strahlkraft – soll heissen: wirklich zugkräftig scheint das nicht zu werden. Dem steht ein eher ehernes Gesetz entgegen: kurze Sendungen können höchstens verjagensneutral sein, aber niemals anziehend für Fremdseher. Wenn das mal gutgeht!
Daber das Fernsehen hat in modernen Zeiten den unschätzbaren Vorteil, dass man auf die Faktizität von Erfolg und Mißerfolg nicht extra lang warten muss: ich gehöre beruflich zu den (in diesem Fall nicht so glücklichen) Leuten, die gleich morgen früh die overnights, d.h. die brühwarmen Quoten aus der elektronischen Reichweitenmessung, ins Haus geliefert bekommen. Warum also soll ich mich weiter aufregen? In 13 Stunden werd‘ ich’s wissen, genauer als mir – und möglicherweise dem ORF – lieb ist.
Da hat’s der Herr Fellner mit seinem Österreich bedeutend leichter: die nächste Reichweiten-Studie liegt noch in weiter Ferne. Wir mutmassen also…