Ohne weitere programmatische Seiltänze – wie das etwa vor nicht mal zwei Wochen bei Daniel Harding mit der gar nicht eingängigen Kombination Bach und Mahler zu hören war – setzt Michael Tilson Thomas seinen Gustav Mahler aufs Programm: die Symphonie No. 6 a-moll ist einziges Werk des Abends im Großen Saal des Wiener Konzerthauses.
Dafür ist die Interpretation von Anfang an hinreißend: Mahlers Klangfülle türmt sich – vornehmlich im Kopfsatz -, das Oszillieren zwischen Freudesausbrüchen und tiefer Melancholie gelingt präzis, die Wechsel der Stimmungen und Tempi greifen bruchlos ineinander.
Meist steht in der Rezeption der Finalsatz im Mittelpunkt, von dem die Symphonie auch ihren Titel Tragische herleitet, doch ist das Werk insgesamt auf wenig Gegenliebe gestoßen, wenn man von der hohen Wertschätzung durch die Zweite Wiener Schule absieht. Sie ist noch immer eine der am wenigsten oft gespielten Mahler-Symphonien.
Nachdem die Orchesterbesetzung in der Vierten beinahe schon wieder normale Dimensionen erlangt hatte, erweiterte der Komponist die Zahl der Musiker weiter, um schließlich in der Sechsten mit verstärkten Bläsern und einem umfangreichen Inventar an Schlaginstrumenten zu gewaltigen Ausmassen zu gelangen – was schon anlässlich der Uraufführung 1906 zu Spott und bissigen Karikaturen Anlass gab. Auch ist die nicht autorisierte Bezeichnung Symphonie mit dem Hammerschlag (Korngold?) überliefert.
Die intensive Bemühung des San Francisco Symphony Orchestra und seines Dirigenten Michael Tilson Thomas um das gesamte Symphonische Werk Gustav Mahlers und die tiefgehende analytische Arbeit machen sich hörbar bezahlt: man kann sie sicher unter die derzeit besten Interpetationen reihen, auch ein Platz unter den All-Time-Favorites ist gesichert.
Gut, dass es den kompletten Zyklus nun bald auch komplett zu kaufen geben wird: der Mahler Cycle genannte Box soll noch im Juni erscheinen. Einstweilen kann man mit den einzelnen Veröffentlichungen Vorlieb nehmen:
Die Einspielung der Symphonie Nr. 6 aus dem Jahr 2003 hat nichts an Frische eingebüßt und vermag den tiefen Eindruck der Konzertaufführung durchaus zu reproduzieren.