Mahler 8 – was will man mehr?
Das monströse Werk mit seinen drei Chören, riesenhaft besetztem Orchester, Orgel und 8 Gesangssolisten – deswegen in vom Komponisten bemängelter Zirkusmanier auch Symphonie der Tausend genannt – sprengt spielend jeden Rahmen, auch den des Raumangebots im Konzerthaussaal. Hier braucht es sichtlich einen genauen Auf- und Abmarschplan, damit die Mitwirkenden einander nicht im Wege stehen.
Als da sind:
- Ricarda Merbeth, 1. Sopran
- Elza van den Heever, 2. Sopran
- Elisabeta Marin, 3. Sopran
- Stella Grigorian, 1. Alt
- Jane Henschel, 2. Alt
- Johan Botha, Tenor
- Boaz Daniel, Bariton
- Kwangchul Youn, Bass
- Wiener Singakademie
- Slowakischer Philharmonischer Chor
- Wiener Sängerknaben
- ORF Radio-Symphonieorchester Wien
- Bertrand de Billy, Dirigent
Mit dem choralartigen Pfingsthymnus Veni Creator Spiritus von Orgel und Chören hebt eine Symphonie an, die ihresgleichen sucht. Denkt man vom Schlußsatz von Beethovens Neunter konsequent weiter, dann kommt man, wie eben auch Gustav Mahler, unweigerlkich zu dieser Achten (über eine Zwischenstation bei Bruckner).
In diesem kompakten ersten Satz verarbeitet Mahler, als wär’s eine Reihe von Schaffensproben, seine Beiträge zur Kirchenmusik, die er, alleinstehend, nie geschrieben hat.
Der zweite bis vierte Satz kommen kompakt als ein einziges Stück daher, textlich basierend auf den Schlußsequenzen von Goethes Faust II, einem an sich eher mopsigen Stück, dessen hehrer Status kaum nachzuvollziehen ist. Zumindest aber verdanken wir ihm das Ewig Weibliche, das uns hinan zieht. Was auch immer das bedeuten mag. Unter den Fittichen Gustav Mahlers aber wird daraus ein vielgestaltes, in seiner Komplexität nur mehr schwer zu übertreffendes Klanggebilde, das einen unweigerlich in tiefsten Bann zieht.
Mahlers persönliche Tragik spiegelt sich in der Widmung der Symphonie an seine geliebte Frau Alma, die jedoch in Wahrheit der Prototyp der modernen Schlampe genannt werden kann; während er ihr sein Werk widmete, begann sie ihre Affäre mit dem noch unbekannten Walter Gropius, in deren Verlauf sie nicht selten brieflich Hoffnung auf ein Ableben ihres Mannes äußerte. Mahler hingegen zerfleischte sich in Verzweiflung, nachdem er von der Affäre Kenntnis erlangt hatte, wovon nicht zuletzt der Autograph seiner zehnten Symphonie zeugt.
Dass sie ihn als Juden zutiefst verachtete und ihre paar harmlosen Liedchen für bedeutender hielt als seine ganze Musik, zeugt von einer inneren Verwandtschaft zu Cosima Wagner. Wüste Antisemitinnen waren sie denn auch beide. Aber die Alma ist ein eigenes Kapitel…
Das Werk ist zu komplex, als dass es einen nach der Aufführung anders als sprachlos zurücklassen könnte. Zweifellos haben Bertrand de Billy und das RSO Wien eine gültige Interpretation abgeliefert – ob sie aber bemerkenswert ist, dazu müsste man sie sich mehrfach anhören können. Die Achte ist kein ideales Werk für den Konzertsaal.