In seiner eigenen Laufbahn hat Benjamin Britten – zu sehr ungelegener Zeit: 1942 – die Verweigerung des Wehrdiensts durchgefochten. So ist ihm zeitlebens der Pazifismus ein auch künstlerisches Anliegen geblieben. Der Figur des Owen Wingrave, der ursprünglich aus einer Erzählung von Henry James stammt, hat Britten in der gleichnamigen Oper viel von sich selbst gegeben.
Genauso wie der Komponist im Großbrittanien des Zweiten Weltkriegs mit seiner Ablehnung des Kriegführens gegen eine gesamte Nation stand, so steht sein Bühnenheld Owen gegen die geballte Macht und Einigkeit seiner Familie, ja des ganzen mehr oder minder verwandten Personariums auf dem Landsitz der Familie. Man hat die Tradition militärischer Karrieren über Generationen geübt – daran gibt es nichts zu rütteln.
Was in dem jungen Mann vorgeht, beschreibt Britten in eindringlichen, zwischen Verzweiflung, Lyrik und Befreiung changierenden Passagen. Mit dem jungen britischen Bariton Andrew Ashwin steht ein stimmgewaltiger, der Breite des Ausdrucks souverän gewachsener Kämpfer auf der Bühne. Auch wenn seine Sache das Soldatentum nicht ist, zu kämpfen wofür zu kämpfen ihm lohnt ist er eindrucksvoll im stande.
Die Verwandten sind je auf ihre Art verrückt, eingesponnen in eine Vergangenheitsbehauptung seltsamer Natur: Ewa Biegas als Tante Wingrave, Brian Galliford als General Wingrave.
Dem jungen Owen zur Seite gegen die Meute seiner Verwandten stehen sein Lehrer – Craig Smith – und seine Frau, Rika Shiratsuchi, ganz und gar hinreissend.
Neben Owen glänzte im Ensemble vor allem Astrid Hofer als arrogante, hohle und irgendwo zuinnerst – vielleicht auch bloß früher einmal? – verständige Angebetete…
Die kammermusikalisch reduzierte Version von David Matthews läßt der Musik Brittens das Intensive, gut möglich, dass es in dieser Form sogar noch besser wirkt. Der musikalische Leiter der Kammeroper, Daniel Hoyem-Cavazza, dirigierte die Aufführung mit der nötigen Präzision, ja es ist wieder und wieder verwunderlich, mit welch hohem Einsatz und künstlerischer Verve in diesem Haus trotz suboptimaler Bedingungen musiziert wird.
Die Inszenierung von Nicola Raab bewegt sich ruhig im funktional abstrahierenden Bühnenraum von Anne Marie Legenstein, ohne dabei jemals statisch zu werden oder – im anderen Extrem – in artifizielle Manöver ausbzubrechen.
Diese Kammeroper ist für die Wiener Opernlandschaft wichtig, wie es im Grunde nur die Arbeit von echten Enthusiasten sein kann. Mit viel Geld ist bald wo was halbwegs zu machen – hier wird mit Herzblut Oper geschaffen. Danke!