Ich war im Liceu

Barcelona. Beim Verreisen kriegt man einerseits die Chance, auswärts Oper zu hören: ein anderes Haus mit seinem individuellen Flair kennen zu lernen, den Atem einer fremden Tradition zu spüren – andererseits muss man dann leider auch nehmen, was man kriegt.

Im Fall unseres Weihnachtsaufenthalts in Barcelona hatte ich von sehr langer Hand vorbereitet, dass für den einzigen Spieltag während unseres Reisetermins auch tatsächlich Karten verfügbar waren – allerdings musste ich dann halt schon wieder den Troubadur nehmen – wie schon in Stockholm im vorletzten Sommer! Immerhin war ich dann aber doch im Gran Teatro del Liceu

Im Gegensatz zur Scala kriegt man im Haus an den Ramblas für erträgliches Geld auch gute Plätze. Bequem ist das nach einem Brand 1994 erst 1999 wieder eröffnete Haus aber über alle Massen – man sollte eigentlich nur noch neu erbaute Opernhäuser besuchen.

Wahrhaft enttäuschend jedoch die Aufführung: das Hausorchester unter Marco Armiliato – den ich schon in der Staatsoper und in einer HD-Live-Übertragung aus der MET erleben konnte – spielte einen redlichen, wenn auch nicht allzu lebendigen Verdi.

Die sanglichen Darbietungen waren durchwegs adäquat, wenn auch bisweilen eher lauwarm:

  • Vittorio Vitelli als Graf Luna
  • Fiorenza Cedolins als Leonora
  • Luciana d’Intino als Azucena
  • Marco Berti als Manrico
  • Paata Burchuladze als Ferrando
  • Vincenc Esteve Madrid als Ruiz

Bemerkenswert vielleicht noch Ana Puche als Ines.

Das Beste war aber sicher das vollkommen reduzierte Bühnenbild von William Orlandi: lediglich ein Vorhang bildet den Hinter- und manchmal Untergrund der Handlung, seine plakative Färbung signalisiert Tag oder Nacht. Hier wird mit sparsamsten Mitteln ein Raum für zeitlose Geschehnisse eröffnet.

Dass dann ausgerechnet im dritten Akt ein Ballett zum totalen Stilbruch wird, ist Choreografin Berta Vallribera geschuldet, die mit dieser Einlage hier am Haus debütierte: junge Herren in Strumpfhosen, die unbedarft mit sichtlich papierenen Schwertern fuchteln, hopsen kreisum – wahrlich ein Kriegshaufe zum Fürchten!

Die Regie des Belgiers Gilbert Deflo ist ansonsten meist statisch, überlässt aber die Sänger dabei ihren eigenen darstellerischen Marotten. Ein einheitliches Konzept wird kaum je sichtbar.

Nun ja. ich war im Liceu. Mehr ist dazu wohl auch nicht zu sagen.

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