Aus der Frühgeschichte der Demokratie

Ein gewichtiges Werk, nicht nur weil es zwei zuvor separat veröffentlichte Bücher beinhaltet, und auch nicht, weil sie zusammen besonders viele Seiten hätten, sondern aufgrund der Kompetenz seines Autors in der Geschichte der griechischen Antike:

Der inzwischen emeritierte Professor für Alte Geschichte Karl Wilhelm Welwei ist einer der ausgewiesenen Kenner der griechischen Geschichte, seine beiden Einzelveröffentlichungen Athen – Vom neolithischen Siedlungsplatz zur archaischen Großpolis und Das klassische Athen – Demokratie und Machtpolitik im 5. und 4. Jahrhundert sind nach wie vor Meilensteine in der Entwicklung ihres Themas, nunmehr zusammengefasst im Band Athen: Von den Anfängen bis zum Beginn des Hellenismus.

Welwei legt seinen Schwerpunkt auf die politische und gesellschaftliche Entwicklung; schon zu den Jahrhunderten der frühen bronzezeitlichen und archaischen Kulturen gilt sein Bemühen der Dokumentation der Verdichtung von verstreuten Siedlungen zum Zentralraum einer Polis. Der Autor geht dabei sehr präzis und umfassend auf die verschiedenen Ansichten der Forschung ein, ohne sich in eine allzu akademische Debatte zu verstricken.

So wird allmählich transparent, wie sich inmitten einer Welt von lokalen Potentaten und asiatischen Großkönigen die Konstitution einer auf den Schultern der Bürgerschaft ruhenden Regierungsform entwickelte. Interessant sind die komplexen Regelwerke, die recht früh schon zur Absicherung der Verfassung entworfen wurden.

Einziges Manko ist die weitestgehende Ignoranz der Kulturgeschichte im engeren Sinne gegenüber – selbst das monumentale Bauprogramm des perikleischen Athen spiegelt sich lediglich in einer Analyse des Finanzbedarfs, die gemessen an den Möglichkeiten des attisch-delischen Seebundes von einer beginnenden Hybris kündeten. Doch die Parallele zur Gegenwart hinkt: die Polis hat steinerne Zeugen und eine bildnerische wie literarische Hochkultur hinterlassen, nicht zu reden von der Begründung von Wissenschaft und abendländischem Denken, wogegen das heutige Griechenland nicht minder gigantische Geldmengen einfach rückstandslos verjausnet.

Die große Zeit Athens war aber auch eine Epoche ungebremsten Hegemonialstrebens, fortwährender Kriege und alljährlicher Feldzüge. Und selbst Sokrates focht wie ein jeder Vollbürger in der Hoplitenphalanx. Diese Griechen mögen die Vorfahren Europas gewesen sein, doch sie müssen uns wohl zuinnerst wesensfremd bleiben.

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