Selten habe ich die Sechs Bagatellen für Streichquartett op.9 von Anton Webern in einer so klaren Interpretation gehört. Man sagt ja manchen Musikern nach, sie hätten einen analytischen Zugang zu einem Werk. Dass das bei Webern mitunter recht krass klingen kann, ist aber auch bekannt.
Das Minetti Quartett spielt im Gläsernen Saal des Musikvereins einen wahrhaft verstehbaren Webern – und das ist bei dieser Musik vom Anbeginn der Moderne ein großes Kompliment. Gerade die Intensität, die Bedeutungsvielfalt, die Webern in die nicht eben ausufernd vielen Töne seiner kleinen Kompositionen packt, will entdeckt und zu Klang gemacht werden. Das ist auf einmalige Weise gelungen.
Natürlich gelingt auch der Beethoven, sein Streichquartett f-moll op.95 birgt aber vor allem im Umfeld des zuvor gespielten Streichquartett Es-Dur op. 12 von Felix Mendelssohn Bartholdy erstaunliches Erkenntnispotential: wie der jüngere sich auf den Meister bezieht, wird von den vier Minettis elegant hörbar gemacht und verleiht einem romantischen Quartett klassische Ehre.
Weniger berauschend fällt zum Schluss das Dissonanzen-Quartett – Streichquartett C-Dur KV 465 – von Wolfgang Amadé Mozart aus. Hier kratzt es stellenweise unschön, kippt einmal sogar die Balance.
Aber sonst: ein großartiger Ausflug in die Quartettliteratur, beglückend natürlich allem voran der Webern. Dass man sich als Zugabe für den 3. Satz aus Mendelssohn-Bartholdys a-moll-Quartett entschieden hat, folgt einer mir unverständlichen Unsitte: das Herausreissen von einzelnen Sätzen aus ihrem Werkzusammenhang hasse ich im Konzertsaal noch mehr als in Radiosendungen. Als ob es nicht hinreichend kürzere Stücke gäbe, die man heranziehen könnte. Deswegen geh‘ ich auch normalerweise schon vor der Zugabe.