Nachlese März 2017

Moritz Eggert hat auf der Plattform crescendo ein inspirierendes Plädoyer zur Situation des Opernrepertoires in den deutschsprachigen Ländern gehalten:

  • erstens gegen das ewig gleiche Repertoire aus dem 19. Jahrhundert
  • zweitens für mehr Gegenwart in den Spielplänen

Als Hörer, dem genau dieses 19. Jahrhundert zu den Ohren heraus hängt, kann ich ihm nur aus vollem Herzen zustimmen. Als Hörer etlicher moderner Opern, stehe ich dem zweiten Punkt etwas skeptischer gegenüber. Nur mit dem Geburtsdatum des Komponisten allein kommt noch keine ansprechende Oper zustande! Ich habe gegen die Unsitte von Libretti, die sich heutige Komponisten gerne aus allerhand Versatzstücken selber kompilieren, schon mehrmals gewettert. Auch erinnere ich mich gut des mißglückten Versuchs von Beat Furrer, auf ein dussliges Libretto des Dichters Händl Klaus eine Oper zu setzen.

Schlimmer ist aber die Methode, wie sie etwas das Theater an der Wien gewählt hat, jede Saison eine Uraufführung auf den Spielplan zu setzen, aber gut darauf zu achten, dass die Musik nur nicht aus den verstopften Ohren der Stammgäste fällt. Man hat da in den letzten Jahren schon recht belangloses Zeug produziert.

Aber es gibt sie natürlich, die großen Momente der heutigen Oper, und ich muss Herrn Eggert applaudieren, wenn er eine Kultur der Zweit- und Drittaufführung fordert. Das wäre genau das frische Blut, das der Opernbetrieb braucht. Aber auf der Jagd nach Uraufführungen wird lieber irgendwas produziert. Und dabei ist es dann auch egal, ob es was taugt, weil es eh nie wieder jemand spielen wird.

Dieser Tage hat Olga Neuwirth, die man durchaus unter die interessanteren Komponistinnen rechnen darf, wenn auch ihre Adaption American Lulu nicht überzeugt hat, den abstruserweise so genannten Deutschen Musikautorenpreis erhalten. Das tut Frau Neuwirth auf ganzer Strecke unrecht: man darf sie mit Fug und Recht eine Komponistin nennen, im besten Sinn des Wortes und seiner ganzen langen Tradition. Warum man sie zur Musikautorin herabqualifizieren muss, verstehe ich nicht. Das hat so einen schalen Nachgeschmack von gewaltsamer Eindeutschung, wie sie eigentlich seit den Nazis längst wieder passé sein sollte.

Und zum Schluss hat der Lette Alvis Hermanis Wagners Parsifal in der Irrenanstalt inszeniert – also nicht physisch sondern dort angesiedelt. Das Publikum ist darob ungehalten.

Dabei muss man sagen: Wagner hat eine seiner musikalisch schönsten Opern mit einem textlichen Schofel der Sonderklasse unterlegt, den man jedem Recht der Welt ins Narrenhaus verbannen sollte. Das ganze ist hirnrissig von vorne bis hinten. Man sollte also Alvis Hermanis besser frenetisch applaudieren.

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