Neuland im Flachwasser

Man kennt das doch – oder ahnt in Hirnkastels Hinterstübchen, dass man das jetzt gerade und eigentlich wirklich kennen sollte… Die Rede ist vom Gefühl, dem Erreichen eines bisher nie dagewesenen Tiefstands beizuwohnen.

Nun, Fernsehen rechtfertigt ja beileibe keine höheren Erwartungen. Selbst öffentlich-rechtliche Sender sind in den letzten zehn Jahren vom Tugendpfad des qualitativen Programms abgewichen, schließlich muss man doch dem Gebührenzahler was bieten für seine Knete. Das gibt einerseits eine probate Ausred‘ für jedwedes Tiefstapeln beim Programm ab – die Leut‘ wollen halt Musikantenstadl und Thomas Gottschalk! Andererseits kann man damit genausogut gezielt am Publikum vorbei senden, schließlich können die sich eh nicht helfen.

Ich hatte also gestern abend das ungeteilte Glück, sechseinhalb Minuten „Mitten im Achten“ zu sehen, die neueste Daily Soap – oder Daily Sitcom – des ORF mitten im Hauptabendprogramm. Die senderinterne Abkürzung MiA war salopp gemeint und augenzwinkernd gemünzt auf ein erfolgreiches Programmformat. Aber knapp daneben ist genauso vorbei wie komplett ins Wasser geklescht. Das kann man nicht anders nennen. (Ironischerweise heißt MiA im Amerikanischen missing in action und bezeichnet im Einsatz verloren gegangene Soldaten.)

Die Dialoge sind grottenschlecht. Die eingebauten Kalauer bauen sich so mühsam auf, dass sie einem eh schon auf den Lippen liegen, wenn sie denn endlich auch den minder begnadeten Schauspielerdarstellern (i.e. Darstellern von Schauspielern) über die selbigen kommen. Man möcht‘ ihnen regelrecht Geburtshilfe für so manchen überstandigen Schmäh anbieten.

Man muss jetzt nicht gleich darüber räsonnieren, dass die ganze G’schicht ein Schwachsinn wär‘ – oder wollte man ernsthaft behaupten, man habe den Fernseher angeworfen, um was Höherstehendes zu konsumieren? Rundweg eine glatte Lüge. Genauso wie es eine aalglatte und zusätzlich noch schamlose Lüge ist, dass man der Sendung einfach noch etwas Zeit geben müßte… als Schutzbehauptung taugt sie gar nichts, als ernst gemeinte Hoffnung ist sie geradezu gemeingefährlich.

Nach kurzem Kampf um die Fernbedienung durfte ich im Anschluss einige wenige Minuten „Verliebt in Berlin“ sehen: auch kein Programm für nicht-schwule Männer, aber jede Sekunde eine Wohltat im Vergleich! Das fängt schon bei filmtechnischen Belangen an: plastisch ausgeleuchtet, sauberer Ton, Maske okay, unbillige Kostüme, nennenswerte Ausstattung – Punkt für Punkt das geradlinige Gegenteil von MiA. Von so unwesentlichen Teilen wie Dialogbuch, Regie oder Darstellern wollen wir gar nicht reden.

Dass der ORF zu normalen Sendezeiten nicht eben Berühmtheit als Flaggschiff mit Tiefgang zu beanspruchen vermag, ist man gewohnt. Hier wurde aber ein Küberl Neuland ins Flachwasser gekippt, da besteht keinerlei Hoffnung, dass sich das mal zu einem Inselchen auswächst.

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