Straussens‘ Elektra unter der Regie von Harry Kupfer im Bühnenbild von Hans Schavernoch war über die Jahr wieder und wieder ein Erlebnis in der Wiener Staatsoper. Sie gehört entschieden zu meinen Lieblingsopern, als Werk – und auch diese Produktion, die ich ganz udn gar nciht für in die Jahre gekommen empfunden habe. Aber die Direktion des Hauses am Ring hat beschlossen, ausgerechnet diese Elektra durch eine neue zu ersetzen. Dabei gäbe es im Spielplan reichlich Inszenierungsleichen, die eine solche Maßnahme eher rechtfertigen würden. Also bin ich gespannt und zugleich voller Befürchtung, was der Abend bringen wird…
Musikalisch ist die Sache dicht und kräftig. Lise Lindstrom vermag die Titelrolle der Elektra mit allen starken Gefühlen zu erfüllen, sodass man sich keine Sekunde lang nach Debroah Polaski sehnen muss. Hinzu treten Waltraud Meier als Klytämnestra mit all dem Schauder, den die Figur verbreiten soll, und die deutsche Wagner-Spezialistin Anna Gabler, der auch die Zurückhaltung der zaghaften Chrysothemis liegt.
René Pape bricht mit Wucht in dieses Jammertal und rächt – er ist der ersehnte Bruder Orest. Ihm zum Opfer fällt Aegisth, den Jörg Schneider in aller vorgesehenen Kürze von Auftritt zu Ende bringt.
Die Inszenierung von Uwe Eric Laufenberg ist allerdings gelinde gesagt undurchsichtig. Zunächst einmal ein paar Frauen, die andere Frauen schikanieren; die einen sind spärlich bekleidet, die anderen uniformiert. So weit, so gut – aber es gibt leider nirgendwo im restlichen Stück eine Auflösung, was die Bedeutung der Anspielung angeht. Das Geschehen während der Ouvertüre und er ersten Szene findet im weiteren Geschehen nirgendwo Anschluss. Denn danach entrollt sich das Drama der Agamemnon-Tochter, das in blutiger Rache kulminiert. Diesem Geschehen steht zum Glück kein Versuch der Inszenierung im Wege, es zu deuten oder zu verbiegen. Erst am Ende schickt man mehr oder wenig albern dekorierte Leichen ins Bild. Auch das tut wenig zur Sache und wirkt reichlich pubertär.
Wie dem auch sei: ihm assistiert die Ausstattung des Duos Rolf Glittenberg und Marianne Glittenberg mit einem Kohlenkeller und einem Paternoster, wobei sich letzterer wohl aus ersterem ergibt, wennzwar nicht zwingend, wobei aber das ganze Setting reichlich diffus bleibt. Auch wenn sie es inzwischen in die wikipedia geschafft hat, interessanterweise er aber nicht (zumindest per 19.10.2018), hilft das dem konkreten Problem mit der Elektra in der Staatsoper wenig: auch in den Kostümen wird hier eine Art von Diktatur suggeriert, wie wir sie aus dem zwanzigsten Jahrhundert allzu gut kennen. Spätestens da, wo der Diktator vom Felde nach Hause kommt, schmerbäuchig und in Zivilkleidern, funktioniert die Deutung nicht mehr. Oder ist die Böse am Ende sie, Klytämnestra? Man erfährt es nicht.
Dem Leading Team gebricht es ersichtlich am Verständnis des Mythos. Man könnte auch vermuten, denen sei bloß nichts zur Sache einfallen. Immerhin rettet ein stück-kundiges Ensemble den Abend vor der Belanglosigkeit.
Ich aber will eigentlich den Harry Kupfer wieder! Da nützt der ganze gute Gesang und das Wirken von Michael Boder im Orchestergraben wenig.