Geistliche Musik ist eine Disziplin, die im Zwanzigsten Jahrhundert eigentlich obsolet geworden ist. nachgerade, wenn sie mit so großer Geste und so großem Aufwand umgesetzt wird, wie die Trois petites liturgies de la présence divine von Olivier Messiaen: ein üppig besetzter Frauenchor, großes Orchester mit einem aufgestockten Schlagwerker-Ensemble und Instrumental- wie Vokal-Solisten – das wäre klangliches Rohmaterial für Großes…
Herausgekommen ist bei dem Franzosen allerdings eher eine Offenbarung kindlichen Bombasts. Prägend sind dabei meistens die eingängigen Rhythmen, so kommt etwas eher poppig Modernes heraus, stellenweise vermischt mit virtuoser Spieltechnik der Instrumentalsolisten. Zwiespältig, da auch nicht gut musiziert: insbesondere der Damenchor agiert wenig konzise, chargierend zwischen schriller Übertreibung und leisem Verröcheln. Die Solisten dagegen sind brilliant: Jean-Efflam Bavouzet am Klavier, Valérie Hartmann-Claverie auf dem recht exotischen Ondes-Martenot sowie Hans Krasser am Vibraphon; dazu die ganz hervorragenden – aber leider nicht genannten – Streichersolisten des RSO. Insgesamt eher eine misslungene Fleissaufgabe.
Ein Klassiker ist dagegen die 13. Symphonie von Dmitri Shostakovich, genannt Babi Yar in Erinnerung an das Massaker der Wehrmacht bei Kiew: hier ist es ein groß besetzter Männerchor, der mit dem Solisten – kurzfristig für Bass Anatoli Kotscherga eingesprungen: Sergei Leiferkus – in einer Art biblischem Wechselgesang interagiert.
Ist die Geschichte der Vorfälle von Babi Yar eine der größten Tragödien des jüdischen Volkes, so ist die Geschichte von Shostakovichs 13. Symphonie eine Geschichte der Repression und des schlecht verholenen Antisemitismus in der Sowjetunion – auch lange Jahre nach Stalin.
Die offizielle Sowjetunion ging in der Verachtung der Juden so weit, den Ort des Massakers – das ja die Deutschen begangen hatten – unter eine Straße zu planieren. Lautet die erste Zeile des zugrunde liegenden Gedichts von Jewgeni Jewtuschenko daher Es steht kein Denkmal über Babi Yar – so setzt als erster in der Sowjetunion Shostakovich ein imaginäres musikalisches Denkmal für die Opfer, das sich als äusserst langlebig und tragfähig erweisen sollte.
Unter Dirigent Info Metzmacher musizieren das RSO Wien sowie der hauseigene Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde. Was Metzmacher beim Messiaen an Unsicherheit verströmt, macht er anschliessend beim Shostakovich wieder wett. Die Interpretation wird dem vielschichtigen Werk mit seiner vordergründigen Leichtigkeit und aufgesetztem Humor, aber stets unterschwelliger Drohung und allgegenwärtiger Unheilsverkündigung durchaus gerecht. Lediglich der Chor lässt zu wünschen übrig: an Intensität, an russischem Gefühl, an Kraft. Vielleicht trifft Singverein das Tatsächliche doch recht gut, wie Musil hier sagen würde…
Die Aufnahmen der 13. unter Kondrashin oder Kitajenko sind möglicherweise auf eine unbestimmte Art russischer, aber auch Metzmacher erzeugt musikalische wie sentimentale Gültigkeit. Das ist gerade bei einem Werk solcher Thematik unumgänglich, hier ist das gelungene Musizieren Voraussetzung, darf aber niemals Selbstzweck sein.