Unter dem Mäntelchen religiöser Schutzwürdigkeiten

Man kann natürlich seine Schäfchen für komplett deppert halten: und womöglich zu recht, weil es welche geben wird, die das allen Ernstes auch glauben werden. Der Wiener Erzbischof hat sich zu den Missbrauchsvorwürfen in der katholischen Kirche geäußert. Und er findet, dass der Zölibat wohl nichts mit dem Auftreten solcher Verbrechen zu tun haben könne, da man ja sonst außerhalb der katholischen Kirche keine solchen geben dürfte.

Nun soll man ja ein so gravierendes Problem nicht klein reden, schon gar, wenn man ein Wenig an die Opfer denkt. Doch Missbrauch gibt es allenthalben, und eine Zugehörigkeit zum katholischen Klerus ist keine alleinige Ursache dafür. Dem Erzbischof ist aber zweierlei entgegen zu halten: erstens ist gewiss nicht normal zu nennen, wer – unter den in der katholischen Kirche üblichen Bedingungen, darunter nicht unwesentlich der Zölibat – den Beruf des Priesters ergreift; zweitens verrät die Statistik mehr, als dem Herrn Bischof lieb sein mag.

Dass Missbrauchsfälle in nicht zu geringer Zahl – denn jede Zahl ist zu hoch – außerhalb der katholischen Kirche vorkommen, ist kein Beweis, dass zwischen den Gebräuchen dieser Sekte und den von ihren Vertretern massenhaft begangenen Missbräuchen kein Zusammenhang besteht. Andererseits braucht man sich nicht zu wundern, dass jemand, der glaubt, was so ein Bischof eben glaubt, zur Logik einen verqueren Zustand hat.

Bedenkt man, wie wenige Kleriker es eigentlich gibt, ist die Zahl der ihnen angelasteten Verbrechen eigentlich horrend: setzt man den Prozentsatz der Kleriker in der Bevölkerung in Relation zum Prozentsatz der Klerikern angelasteten Vergehen an allen einschlägigen Vergehen – so kommt einem das kalte Grausen:

Von etwa 3.250.000 erwachsenen Österreichern, davon ca. 48% Männer, das wären 1.560.000 erwachsene Männer, sind zuletzt im Jahr 2007 exakt 4.478 Priester gewesen, das sind rund 0,287%. Ein „normaler“ Anteil der Kleriker an den für 2006 ausgewiesenen angezeigten 3.683 Sittlichkeitsdelikten wäre mithin bei ebenfalls 0,287% ein erwartetes Aufkommen von 10,57 Fällen.

Einerseits steckt in den Sittlichkeitsdelikten selbstredend ein überwiegender Anteil von Delikten, die nicht gegen Minderjährige begangen werden, d.h. die Basis der Missbrauchsfälle an Minderjährigen ist insgesamt weit geringer als die genannten 3.683 Fälle, damit auch die Zahl der zu erwartenden Vorfälle, andererseits deutet sich momentan ein systematisches Aufdecken von Vorfällen aus vielen Jahrzehnten an.

Wenn ich grob – und in dubio pro re – schätze, komme ich auf etwa 3 Missbrauchsfälle pro Jahr, die dem Anteil katholischer Priester an der Bevölkerung entsprechen würden. Da aber wohl eher 10 als 3 Fälle pro Jahr anfallen, wird jede statistische Auswertung – etwa ein Chi-Quadrat-Test mit Bewertung durch Cramer’s V – einen starken Zusammenhang zwischen Priesterschaft und Missbrauchsfällen ergeben.

Das beweist nun natürlich nicht direkt ein Problem mit dem Zölibat. Der ist nur ein Merkmal des katholischen Priesterstandes. Das führt uns jedoch zu der Behauptung, dass eben nicht normal sein kann, wer Priester wird. Denn würde jemand auch nur annähernd ernsthaft glauben, was er da inhaltlich zu erzählen gezwungen wird, muss er als dämlich eingestuft werden. Glaubt er es nicht und vertritt es trotzdem, als perfide.

Ich möchte dazu festhalten: es geht nicht um grundlegende Glaubensinhalte wie die Existenz Gottes oder ähnliches. Das darf ein jeder so halten, wie er oder sie das halten will – das ist Geschmackssache, denn Beweise gibt es für keine Seite; weswegen es ja Glaube heisst und nicht anders. Es geht um die spezifisch katholischen Eigentümlichkeiten: einen unfehlbaren alten Sabbergreis an der Spitze, die Lachnummer unbefleckte Empfängnis, die logische Hürde Dreifaltigkeit und ähnlichen haarsträubenden Unsinn. Von noch absurderen Dogmen gar nicht zu reden.

Auch irritiert mich, dass diese Leute so offensichtlich gar kein Problem damit haben, welche Blutspur ihre Organisation durch die Geschichte der Menschheit gezogen hat. Dass sie von 1633 bis 1992 gebraucht hat, sich von ihrem flachen und geozentrischen Weltbild offiziell zu verabschieden, spricht ebensowenig dafür, dass wir es bei ihren Vertretern mit Lebewesen mit ausgeprägter Intelligenz zu tun haben – oder, wenn sie denn beanspruchen, nicht dumm zu sein: mit anständigen Zeitgenossen.

Es müsste doch eigentlich ein Leichtes sein, dieses Thema sachlich zu diskutieren: Zahlen auf den Tisch, Zusammenhänge mathematisch prüfen – und dann den gesammelten Kuttenbrunzern den Umgang mit Minderjährigen verbieten! Die zuständigen Ministerien sollten zumindest eine offizielle Warnung herausgeben, dass seine Kinder in die Obhut katholischer Schulen zu geben ein höheres Risiko birgt, dass sie dort geschädigt werden, als das bei staatlichen Schulen der Fall ist. Danach kann man zumindest die Eltern als Mitschuldige verklagen, wenn sie es trotzdem tun…

Die Achtung der Freiheit des Glaubens darf nicht so weit gehen, dass unter dem Mäntelchen religiöser Schutzwürdigkeiten systematisch Unwesen getrieben werden kann.

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