Organische Musik

Ein Oscar für die Musik zum Film Crouching Tiger, Hidden Dragon des Regisseurs Ang Lee im Jahr 2000, aber auch 1998 den Grawemeyer-Preis (den vor ihm Penderecki, Ligeti und Boulez erhalten haben): der chinesisch-amerikanische Komponist Tan Dun vereinigt Talente, wie sie zuletzt bei Erich Wolfgang Korngold angetroffen wurden. Ernsthaftes – aber eben nicht tod-ernstes – Schaffen in der klassischen Musik des ausgehenden zwanzigsten und beginnenden einundzwanzigsten jahrhunderts – und die gehobene ‚Gebrauchskomposition‘ für den Film.

Für seine Opern ‚Marco Polo‘ und ‚Peony Pavailion‘ sowie für seine spezielle Bemühung um die musikalischen Beziehungen zwischen Ost und West (Musikpreis der Stadt Duisburg) wurde Tan Dun mehrfach geehrt.

In Semper-Depot kann man sich derzeit anhand der von der Neuen Oper Wien aufgeführten Oper namens Tea von Tan Dun’s Qualitäten überzeugen. Ein ätherisches Stück moderner Musik, das vor allem durch die Verwendung der organischen Musik von Wasser, Papier und Keramik glänzt.

Das chinesische Konzept organischer Musik bezieht die Klangwelten natürlicher Materialien mit ein:

  • verschiedene mit Wasser gefüllte Gefäße, Klangschalen, Shaker, Patting Drums oder das Wassers selbst: tropfend, fließend, schwappend – steht für die Elemente Wasser und Feuer
  • Papier in Streifen, Blättern oder langen Bahnen für den Wind
  • Keramik- und Tongefäße oder gar Steine für die Macht des Schicksals

werden mit in die Komposition einbezogen oder kontrastieren mit ihr, setzen Akzente oder kündigen Wechsel an.

Ausgehend von einer japanischen Teezeremonie entspinnt sich in der Erinnerung des Zeremonienmeisters Seikyo eine simple, aber dramatische Geschichte um Geschwisterliebe, das ‚Buch des Tees‘ von Meister Lu Yu und Mord in blinder Leidenschaft – mit starken Momenten, wie sie anderen Opern der klassischen Literatur bisweilen zu wünschen wären.

Alexander Kaimbacher als Prinz liefert ein übermütiges und zugleich verzweifeltes Bild des Bruders, der von Cornelia Horak als Prinzessin Lan verlassen werden muss: sie begibt sich in die Obhut ihres neuen Gatten Seikyo, mit ausdrucksstarker Ruhe gesungen von Klemens Sander. Herausragebdn gefiel mir aber Maren Engelhardt als Lu, Tochter des verstorbenen Lu Yu. Den Kaiser sang Steven Gallop, bekannt von Wiener Festwochen und Klangbogen Wien, sowie aus der ‚Zauberflöte 06‘ von Thomas Pernes im letzten Jahr.

Ein sehr intimer Abend im kleinen Kreis des Semper-Depots, wo wahrscheinlich gerade einmal dopppelt so viele Zuseher wie Mitwirkende anwesend sind (das amadeus ensemble wien stellte unter der Leitung von Walter Kobéra die Mehrheit).

Aus der Staatsoper kommt man nach viel mehr Aufwand an Stars und Ressourcen des öfteren weitaus weniger glücklich wieder heraus. Tan Dun’s ‚Tea‘ war ein Lichtblick – ein lichter Hörgenuss, mit kräftiger Interpretation und ironischer Inszenierung. Gelungen.

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