wien modern. Lange Nächte sind ja inzwischen inflationär geworden, also hat sich das Festival für Musik der Gegenwart diesmal dazu entschlossen, eine begehbare Installation zu errichten. Einen Aufhänger hat sie darin im ungarischen Schriftsteller und Instrumentensammler Oskar Serti gefunden:
Obzwar man hierzulande so gut wie gar nicht vom Werk des in Ungarn hochverehrten Autos weiß, zu dem (mit Stand von heute) nicht einmal die deutsche Wikipedia etwas aufzuweisen hat, ergibt sich eine geradezu ideale Tangente von seiner Sammeltätigkeit herüber ins Kerngeschäft von wien modern: Serti sammelte Instrumente, die bei essentiellen Uraufführungen von Musik des Zwanzigsten Jahrhunderts gespielt wurden.
Nicht selten sind die Geschichten zu den Instrumenten von eminent hoher stofflicher Qualität, wie sie ein Romanautor womöglich gar nicht selbst zu erfinden vermöchte. Sie sind verknüpft mit skandalumwitterten Uraufführungen, magischen Momenten der Gegenwartsmusik, aber auch mit den individuellen Emigrations- und Unterdrückungsschicksalen ihrer Besitzer in diesem gleichen Zwanzigsten Jahrhundert.
Unter dem Titel Oskar Serti geht ins Konzert. Warum? verspricht wien modern eine Erkundung des Phänomens Konzertbesuch: was treibt uns dorthin? So interessant die Präsentation der Serti’schen Sammlung auch war, das Unterfangen, zur eigentlichen Fragestellung Essentielles ans Tageslicht zu fördern, muss als gescheitert betrachtet werden.
An diesem langen Abend wird Musik geboten, für die es sich ins Konzerthaus zu kommen lohnt, aber auch solche, die einen nicht hinter dem Ofen hervor zu locken vermag: in die erste Kategorie fallen Kompositionen von Georges Asperghis, Vladimir Tarnopolski, Beat Furrer, Stefano Gervasoni, Erik Satie, György Kurtág, Giacinto Scelsi, Enno Poppe und Elliott Carter – in die zweite solche von Franco Donatoni, Gerald Resch oder Bernhard Lang.
Bemerkenswert ist gleich zu Beginn die Aufführung von Foucault’s Pendulum des bei uns recht raren Vladimir Tarnopolski: obwohl 2004 entstanden, atmet die Komposition den Geist der von pointierten starken Rhythmen und dem Jazz inspirierten Zwischenkriegszeit.
Der Versuch in Sachen Jazz in Anlehnung an die legendären Monday Night Orchestra Sessions von Gil Evans im New Yorker Club Sweet Basil, den Franco Donatoni mit Hot geht, misslingt grundlegend: es ist als Neue Musik allzu populistisch, als Jazz zu starr und vor allem vollkommen blutleer.
Von ganz anderem Kaliber präsentiert sich Animato von Stefano Gervasoni, eine höchst dichte, lebendige Komposition. Gleichfalls äußerst spannend gerät Spur von Beat Furrer: legt zwar die Besetzung mit Streichquartett und Klavier Anklänge an die reichhaltige romantische Tradition nahe, doch nähert sich der Schweizer nicht den alten Strukturen sondern setzt die Erkundung des Klavierklangs ins Zentrum und legt die Spuren den je für sich musizierenden Streichern in die Partituren.
Fast schon eine Anbiederung dagegen ist die Aufführung der Vexations von Erik Satie zu nennen: das Stück besteht aus zwei Notenzeilen fürs Klavier sowie der Anweisung des Komponisten, diese 840 mal zu wiederholen. Was zu seinen Lebzeiten undenkbar bleiben musste, stachelte Exzentriker wie John Cage natürlich zu ernst gemeinten Aufführungen an. Einen Wert über das künstlische Statement hinaus hat das Ganze aber natürlich nicht.
Die Musiker des Klangforum Wien leisten Herkulesarbeit, sowohl in unterschiedlichen Ensembles als auch in Solistenrollen: die Sammlung der ausgestellten Musikinstrumente inspiriert zur Aufführung von Solostücken so unterschiedlicher Komponisten wie Scelsi, Kurtág, Carter, Poppe und anderen.