Man hat ihn mit Jesus Christus verglichen – wobei seines allenfalls ein mit parallelen Zügen gezeichnetes Leben gewesen sein mag; der erste Philosoph der Neuzeit – zumindest einer der ersten dürfte er in der Tat gewesen sein: Giordano Bruno, der sich selbst der Nolaner nannte nach seinem Geburtsort Nola in Süditalien. Wie Jesus Christus wurde er für das, was er dachte und sagte im Auftrag einer religiösen Clique von der weltlichen Macht getötet. Pikant dabei ist, dass es im Fall des Nolaners die Nachfolger jenes Christus waren, die sich da besonders blutrünstig hervor taten.
Damit hören die Parallelen aber auch schon wieder auf, sinnvoll zu sein. Bruno war kein Märchenerzähler sondern ein stringenter Denker, er forderte nicht zum Glauben auf sondern zum Denken, von ihm sind eigene Worte und Werke auf uns gekommen und nicht bloß Geschichten, die lang nach seinem Tode von irgendwem, der ihn noch nicht einmal selber gekannt hat, aufgeschrieben und danach noch dutzendfach redigiert wurden. Und: in seinem Namen ist bislang noch niemand gewaltsam zu Tode befördert worden.
Seine Geschichte ist so knapp wie typisch für die Jünger jenes Christus: er dachte anders, als er zu seiner Zeit hätte denken dürfen, also hat man ihn verfolgt und schließlich bei lebendigem Leib auf dem Scheiterhaufen verbrannt: am 19. Februar 1600 auf dem Campo dei Fiori in Rom. Er war damit beileibe nicht der einzige oder erste – Leute zu ermorden und zu verbrennen war über eine längere Zeit heilige Übung der Kirche – und nicht nur der Katholischen – als es die Übung in christlicher Nächstenliebe je gewesen ist. Aber Giordano Bruno war der erste ernstzunehmende Philosoph und einer der ersten neuzeitlichen Menschen, die dieses grausame Schicksal ereilte. Immerhin konnte er ihnen noch verkünden:
Ihr verhängt das Urteil vielleicht mit größerer Furcht, als ich es annehme.
Gewissermaßen ist dieser Giordano Bruno zu einem Fluch der Kirche geworden, mit dem sie bis heute nicht zu Rande kommt. Sein Atem hat sich als länger heraus gestellt als der ihre. Und sie kann das Problem nicht aussitzen, sie wird eines Tages doch noch klein beigeben und anerkennen müssen, dass er in fast allem, was sie ihm vorgeworfen hat, Recht behielt. Das tröstet und würde auch den Nolaner trösten, wenn es ihm nicht sogar diebische Freude bereitete.
Der Turiner Germanist und Essayist Anacleto Verrecchio hat eine beherzte, von tiefer und mit offenem Visir vorgetragener Leidenschaft für diesen Giordano Bruno, Opfer der Inquisition und damit der Dummheit, grundierte Biografie geschrieben: Giordano Bruno. Nachtfalter des Geistes nennt er sie. Ihr Ton versteckt sich keine Minute hinter sachlichen Formulierungen, wo man Professoren, Kardinäle und Päpste Esel nennen kann oder die Dogmen ihrer Religion Absurditäten. Der Autor macht aus seinem Herzen keine Mördergrube – oder sollte man sagen: keinen Vatikan? – und aus seiner Sympathie für den Nolaner kein Geheimnis.
Über weite Strecken liest sich diese Leidenschaft contra Christiani wohltuend, weil es ja wirklich nicht vielen Nachdenkens bedarf, um hier klar zu sehen, auf welcher Seite man steht; aber die Beimischung eines alleinseligmachenden Buddhismus in eine solche Biografie geht ins andere Extrem zu weit. Wohl mag Bruno (noch) kein strenger Philosoph gewesen sein, eher ein Metaphysiker, der noch vor Galileo Galilei – und ganz ohne Fernrohr – Behauptungen aufstellte, die wir heute als Teile unseres physikalischen Weltbilds wiedererkennen können. Doch macht ihn das nicht weniger spekulativ und schon gar nicht größer, weil er für seine Spekulationen keinerlei empirische Verfahren heranzog.
Giordano Brune steht vielmehr als einer der ersten in der Geschichte der Aufklärung, der sich nicht das Denken und Reden verbieten lassen und sich nicht irgendwelchen haarsträubenden Dummheiten beugen wollte, sondern der Kraft seiner Argumentation vertraute. Man wusste sich also nicht anders zu helfen, als ihn am Scheiterhaufen mundtot zu machen.
In seiner Philosophie ist vieles wirr, und so vermag es auch nicht zu verwundern, dass gerade ein Goethe oder die Romantiker in ihm einen Geistesverwandten sahen; einem Kant dagegen galt er bestenfalls als ein sehr früher Vorläufer. Schopenhauer hingegen verehrte ihn ob seines Widerstands gegen die Professoren, selber einer, der keine Professur bekam. Heroisch und für uns heutige zweifelsohne wichtig ist die Rolle des Nolaners als eines, dem die Kirche zwar das Leben aber nicht die freie Meinung nehmen konnte.
Immerhin führt die Lektüre dieses Buchs dazu, dass man noch besser weiß, warum einem physisch schlecht wird, wenn man so einen Kuttenbrunzer hört oder sieht: selbst wenn sie heute speichelreich salbadern gehören sie doch einem Verbrechersyndikat an, das in der Geschichte seinesgleichen sucht. Schade dass es ihnen gelungen ist, Giordano Bruno auf dem Gipfel seiner Schaffenskraft aus dem Denken zu reissen…