Geld als Medium des Zynismus

Dustin Hoffman und Robert de Niro wedeln mit dem Hund: gestern abend lief auf dem ansonsten nicht gerade mit sehbaren Programmen glänzenden Schmuddelsender ATV Barry Levinson’s Meister-Satire über den Medienrummel namens Krieg und die amerikanische Politik Wag the Dog. Nicht gerade neu – aber sonst wohl auch nicht auf ATV.

Dennoch ein hervorragender Film zum Wiedersehen – allerdings stark abgeschwächt, weil naturgemäß in deutscher Version. Die ist dem Original absolut nicht gewachsen! Daher der DVD-Tipp: Wag The Dog [UK IMPORT]
Wag the Dog

Bloß nicht die deutsche Version – die bietet zwar auch eine englische Tonspur, aber die deutschen Untertitel sind nicht auszublenden. Welchen Volltrotteln sowas einfällt! Aber wahrscheinlich ist es eher ein Symptom der generellen greediness der Filmkonzerne. Wer die deutsche und die englische Version in Reinkultur haben will, soll offenbar zweimal zahlen. Sie werden – wie die Musikindustrie – zwangsläufig untergehen damit.

Man kann den Film als blanken Zynismus verstehen. Doch ist er eine Satire, eine bloße Überzeichnung des Realen. Zynismus steckt auch drin – doch auf einer anderen Ebene!

Der Gag besteht nur vordergründig in einer Entlarvung der amerikanischen Politik – das hat sie längst selbst besorgt. Und die Medienindustrie spielt ihre Orgeln natürlich in perfektem Einklang damit – das sollte auch schon hinlänglich bekannt sein. Die eine ohne die anderen ist undenkbar. Und diese anderen profitieren. Der Zynismus steckt nicht in der Story: auch die EU zahlt dafür, dass sie in den Medien dargestellt wird – und auch eine von Gesetzes wegen unabhängige, noch dazu von Gebührenzahlern finanzierte „Anstalt“ wie der ORF kassiert: siehe Datum Juni 07.

Hier sind wir im Kern des spoudogeloion angelangt; bedeutsam im philosophischen Sinn ist hierbei das Medium des Zynismus: das Geld. Mit Oscar Wilde gesprochen ist ein Zyniker einer, der den Preis von allem, aber den Wert von nichts weiß. Georg Simmel* beschreibt:

Für die jetzt als zynisch bezeichnete Gesinnung scheint es mir entscheidend, dass auch für sie keine Höhendifferenzen der Werte bestehen, und das im allgemeinen Hochgewertete seine einzige Bedeutung darin hat, auf das Niveau des Niedrigsten herabgezogen zu werden – dass aber der positive und ideele sittliche Endzweck dieser Nivellierung weggefallen ist.

Dabei kommt uns die einzigartige Eigenschaft des Geldes entgegen, ein prizipielles Niveau herzustellen, eine gemeinsame Wertform ansonsten inkommensurabler Werte. Wie Waren auf dem Tandelmarkt erhalten auch vermeintlich hohe Güter einen sie in die Meßbarkeit mit Tand und Trödel der Alltagswelt stellenden Preis.

Man mag das für einen Nachteil halten, wenn man aus den wolkigen Sphären metaphysischen Glaubens kommt. Nochmal Simmel*:

Der Begriff des Marktpreises für Werte, die ihrem Wesen nach jede Schätzung ausser der an ihren eigenen Kategorien und Idealen ablehnen, ist die vollendete Objektivierung dessen, was der Zynismus in subjektivem Reflex darstellt.

Die höheren Lebensgüter werden durch den massenhaften Umgang mit dem Geld entwertet, insbesondere an den Kumulationspunkten, den Umschlagplätzen des Geldes, den Börsen, sagt Simmel. Aber heute längst nicht mehr nur dort! Geld ist bereits ein Faktor in der Konstitution der realen Welt geworden, ein schwergewichtiger Parameter in der Gleichung Lebenswelt. Es ist ganz gut, einen gesellschaftlich anerkannten Maßstab für die „Dinge aus der Luftwelt“ zu haben. Das ist durchaus im Sinne des praktischen Nihilismus.

Dass man mit Geld alles kaufen kann, hat den ungeheuren Vorteil, dass man damit von allem den Preis kennt. Auch hochstehende Güter, über deren offensichtlichen Handel wir moralisch entsetzt sind, bekommen somit ein Etikett: sinkt der Preis darauf so stark ab, dass es zu regelmäßigen Geschäften kommt, ist der Wert tatsächlich gefallen. Wählerstimmen, die man kaufen kann, haben tatsächlich keinen Wert. Und Politiker, die man kaufen kann, desgleichen. Erst recht Medien, die sich von Politikern manipulieren lassen. Wo viel Geld im Spiel ist, sollte man eigentlich immer die Preisauszeichnung beachten!

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*Georg Simmel, Gesamtausgabe 06 – Philosophie des Geldes.

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