Beethoven kannte noch Haydn, dessen Schüler er ganz kurz war, als er nach Wien kam. Und er war in eine Stadt gekommen, in der Mozart noch nachwirkte, wenn auch bei weitem nicht so omnipräsent und übergroß wie heute. Hinter diesen beiden Genies, das spürte wohl auch der junge Beethoven, war es kein Leichtes, in der symphonischen Großform wie in der ultimativen kammermusikalischen miniatur, dem Streichquartett, auch nur hervorzutreten.
Beethoven tat dies mit einer 6-teiligen Werksammlung, den Streichquartetten op. 18, die er dem Fürsten Lobkowitz zueignete. Das Artemis Quartett wählte heute die Nr. 1 in F-Dur, um seinen Abend im Konzerthaus zu beginnen, und führt, mit dem jungen Beethoven, gleich eindrucksvoll über Haydn hinaus: der Komponist reizte die konstruktiven Möglichkeiten, mit nur einem kurzen Motiv zu arbeiten, nahezu exzessiv aus. Es ist noch das Experimentierfeld des späteren Formenzertrümmerers und -erweiterers, auf dem wir hier quasi spaziergehen.
Das obligatorische moderne Zwischenspiel lieferte der 1973 geborene Münchener Komponist und Klarinettist Jörg Widmann – eine Art Streichkabarett für 4 Instrumentalisten: das Jagdquartett / Streichquartett Nr. 3 aus 2003. Das Werk wird getrieben vom rasch aller melodischen Rafinesse entkleideten blanken Rhythmus einer Art von Jagdhorn-Serenade, durchaus konventionellem Material also, das dann mehr oder minder restlos aufgelöst wird. Ein sicher eingängiges Stück, das auch dem etwas angeältelten Publikum von Kammerkonzerten noch greifbar bleibt, weil es immer wieder zurückkehrt ins tonale und melodisch konventionelle Ausgangsmaterial. Natürlich wird’s heftig beklatscht – es hätt‘ einen ja wahrhaft schlimmer treffen können.
Nach der Pause dann Schubert und eins seiner nur drei erwachsenen Streichquartette. Es ist ja bei einem so jung Verstorbenen nicht einmal einfach, auf eine nennenswerte Zahl von reifen Schöpfungen zu kommen – das Streichquartett d-moll „Der Tod und das Mädchen“ ist wohl eines der populärsten Stücke der Gattung, nicht zuletzt, weil aussermusikalische G’schichterln ganz generell die Akzeptanz und – vermeintlich – auch das Verständnis befördern.
Schubert schöpft hier aus seinem reichen, schier unendlichen Melodien- und Rhythmenfundus, dass es immer wieder eine Freude ist, wenngleich ihm die kompositionstechnischen Rafinessen, wie sie Beethoven schon im op. 18 durchexerzierte, vollkommen fremd zu sein scheinen. Immer wieder scheint der Schubert Franzl dem alten Vorurteil Recht geben zu wollen, er habe nie den Kontrapunkt begriffen. Nicht dass ihm auf diese Weise nicht bleibend gültige Beiträge zum Konzertrepertoire gelungen wären! Aber fehlen, bitte, tut dann doch immer irgendwas. Das Spannende, das Reife, wenn man so will. Aber so alt ist der Frenzl eben nicht geworden, und ein in jungen Jahren Vollendeter wie Mozart ist er auch nicht gewesen. So dienen seine Streichquartette jahraus jahrein zur harmlosen harmonischen Beglückung des Publikums. Damit läßt sich immer tosender Applaus einfahren.