L wie Langeweile in Halle E

Dass Wüste mit Leere zu tun habe, ist eine reduktionistische Ansicht – nicht erst seit imposanten Dokumentationen wissen wir, dass dem genau betrachtet nicht so ist. Und dass Wüste mit Tod zu tun habe, ist eine Binsenweisheit, doch keineswegs zutreffend.

Der Dramatiker Händl Klaus – neuerdings gerne gespielt, warum auch immer – hat aus verschiedenen Quellen und unter Zufügung eigener Sentenzen ein Libretto geschaffen, das sich Wüstenbuch nennt: es dreht sich um Wüste und Tod, ohne allerdings von einem der beiden einen Begriff zu entwickeln. Stattdessen werden Textpassagen aus dem Altägyptischen Papyrus Berlin 3024, von verschiedenen alten Römern und Spaniern montiert.

Endgültig transparent wird die Beliebigkeit der Methode bei den Textsprengeln aus unfertigen Romanmanuskripten von Ingeborg Bachmann. Die Sentenzen sind banal, alltäglich, Beobachtungen von einer Reise nach Ägypten, welche die Bachmann nach ihrer Trennung von Max Frisch unternahm, bereits im Stadium fortgeschrittener Depression.

Das ganze ergibt so wenig ein Libretto wie die Musik des Schweizers Beat Furrer es zu einer Oper macht. Seit Atem reicht nicht für volle 90 Minuten, über weite Strecken bildet kompositorische Öde das Material, setzt Furrer auf Demonstration von Wüste und Leere statt auf deren Repräsentation in Musik. Das Ganze ist überwiegend fad.

Dicht und damit beindruckend wird Furrers Musik nur in zwei oder drei Momenten, und das ist es dann schon gewesen. Die Sänger sind unterbeschäftigt, zu viel von dem Text wird gesprochen, was ihn aber noch lange nicht verständlicher macht. Nur einmal finden sich Sopran Hélène Fauchère und der Kontrabassist Uli Fussenegger zu einem wahrhaft spannenden Dialog zusammen.

Zu allem Überdruss ist Regisseur Christoph Marthaler auch nichts eingefallen. Er lässt undefinierte Figuren über die Bühne taumeln, einzeln und bisweilen koordiniert – und natürlich steht das für die Verlassenheit des Menschen… Es ist bestenfalls zum Gähnen.

Beat Furrer hat sich in seiner Musik von jeher der Reduktion verschrieben, was bei Kammermusik noch angehen mag, für Orchester bereits eine Zumutung ist – und auf der Opernbühne in ein veritables Desaster mündet, da mag er höchstselbst das Klangforum Wien dirigieren, das ein äußerst kompetentes Ensemble für Neue Musik ist. aber wo nichts geschrieben steht, können auch die Damen und Herren des Klangforum nichts von Bedeutung hervorbringen.

Es scheint eine schlechte Angewohnheit der Neuen Musik zu sein – oder jenes Teils von ihr, der sich mehr um abstrakte Konzeptionen denn um Inhalte schert -, dass sie besonders da, wo sie selbst in Ereignislosigkeit versickert, mit großen Bedeutungen geschwängert wird. Man darf daher nicht davon ausgehen, dass das Publikum über-, sondern eher, dass es unterfordert ist. Man ist echt versucht, sich mit dem Smartphone über die quälendsten Passagen hinweg zu begleiten; es gibt bestimmt was interessantes in der Mailbox, auf Facebook oder sonstwo. In der Halle E jedenfalls nicht.

Links: Interview mit Beat Furrer im Falter, Nachtkritik der Basler Uraufführung, Besprechung auf Ö1.

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