Technische Brillanz in schwacher Interpretation

Der Anfang ist eher mau: Hector BerliozOuverture zur Oper ‚Le Corsaire‘ hat wenig zu bieten außer offenbar die passend kurze Länge als Einstiegsstück. Kann sein, dass die Wahl dem Landsmann des Komponisten, Dirigent Charles Dutoit, zu danken ist.

Vielleicht ist das aber auch gewollt, um die spannung vor dem Auftritt des Stars zu schüren. Spannend in der Tat: sie sieht nicht nur aus wie ein Püppchen, sie benimmt sich auch so, wenn sie nicht grad am Flügel sitzt – das pianistische Fräuleinwunder Yuja Wang schenkt sich nichts und beweist mit dem 1909 entstandenen 3. Klavierkonzert d-moll op. 30 von Sergej Rachmaninow, das als eines der schwierigsten Stücke der gesamten Konzertliteratur für Klavier gilt, dass weder Furcht noch überbordenden Respekt kennt.

Der Neid muss ihr allerdings auch lassen, dass sie die Klippen und Untiefen des Werks zu umschiffen versteht und alles in allem ein meisterliches Beweisstück für ihr außerordentliches Talent abgibt. Was bei so jungen Musikern für gewöhnlich aber noch fehlt, ist die Interpretation – und das ist bei Mlle. Wang nicht anders. Was sie an technischer Brillianz aufbringt, fehlt an Ein- und Durchdringen des Werks. Hier wird eher agiert wie im Zirkus. Bei allem Respekt vor einer glanzvollen Leistung ist das aber nicht wirklich befriedigend.

Sie spielt denn auch ein paar Zugaben von ganz ähnlichem Zuschnitt, viel Effekthascherei: Sohnemann Strauß‘ bekloppte Tritsch-Tratsch-Polka, Franz Liszts Franz Schubert nacherzähltes Gretchen am Spinnrade und Glucks Reigen seliger Geister aus Orfeo ed Euridice – viel Klimpern für ein dankbares Publikum.

Nach der Pause dann – wie um dem Abend eine passende Abschiedsohrfeige mitzugeben – die Erste Symphonie c-moll von Johannes Brahms. Ich kann mit Brahms einfach nicht. Folglich tut es mir schon im zweiten Satz ehrlich leid, dass ich nicht in der Pause das Weite gesucht habe.

Gespielt hat das Royal Philharmonic Orchestra unter Charles Dutoit.

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