Eine gar nicht so schlechte Figur macht Plácido Domingo nun als Bariton – altersbedingt, wie er nicht unkokett zugesteht: seine Stimme sei aber immer schon dunkel genug gewesen.
Die HD Live-Übertragung des Simon Boccanegra von Giuseppe Verdi aus der New Yorker MET gab ein gutes Bild davon, was Domingo mit seiner Selbstcharakteristik meinte: er ist ein vollwertiger Boccanegra, stimmlich und ad personam sowieso. Die Rolle des jugendlichen Aufstrebers und Liebhabers Gabriele Adorno, auf die er ansonsten als Tenor abonniert gewesen wäre – und mehrere Jahrzehnte auch war -, würde selbst unter der besten Maske und dicksten Schminke allmählich unglaubwürdig.
Obwohl aber alle Welt auf diesen – nicht zum ersten Mal vorkommenden – Fachwechsel eines Tenors zum Bariton blickte, wohl der Prominenz des Herrn Domingo wegen, so war der Star des Abends in gesanglicher Hinsicht der kanadische Sopran Adrianne Pieczonka.
In einer recht konservativen und statischen Inszenierung von Giancarlo del Monaco, auf die sich die MET rein gar nichts einzubilden braucht, blieb die einzige weibliche Heroine Maria/Amelia im Drama dessen Dreh- und Angelpunkt. Adrianne Pieczonka singt mit lyrischer Finesse und der bei Verdi nötigen Kraft und dem gebotenen Nachdruck eine wundervolle Belcanto-Partie. Man kann sagen, sie habe einen Abend gerettet, der anders wohl nur etwas für die Domingo-Fangemeinde gewesen wäre.
Der Italiener Marcello Giordani dagegen ist fast schon so etwas wie ein Haus-Tenor der MET (siehe Puccini’s Turandot und die grässlich schmalzige Madame Butterfly), ein braver Sänger in der Rolle des Gabriele Adorno – aber sonst leider auch nicht mehr. Bei ihm wirkt der tenorale Glanz immer wie aufgesetzt.
Absolutes Negativ-Highlight ist aber Bühnenbildner Michael Scott – und diesmal gar nicht so sehr wegen vollkommen ideenloser Arbeit, das wäre man ja gewohnt, und das hat bestimmt auch seine Fans, zu denen ich halt nicht gehöre. Doch Verdis Opern sind keine ausufernden Unternehmungen, und einen langen Atem brauchen allenfalls die Sänger bei ihren ausgedehnten Legati, aber kaum je das Publikum. Sollte man meinen.
Der Boccanegra ist eine Geschichte, die grade mal zwei Stunden und fünfundzwanzig Minuten dauert. Dass man sich in der MET dabei gleichzwei Pausen gönnt, ist an sich schon übertrieben. Dass der Umbau der Bühnenbilder noch zusätzlich – zwischen den beiden Szenen im ersten Akt sowie zwischen zweitem und drittem Akt, wo keine Pause vorgesehen ist – eine weitere halbe Stunde verschlingt, bläst diesen Verdi zu Wagner’schen Dimensionen auf. Dem schlanken Opus stehen da satte eineinhalb Stunden Pause gegenüber… Das ist nicht mehr zu vertreten, das sabotiert einen ganzen Opernabend, selbst wenn man in der HD Live-Übertragung zumindest noch den Vorteil hat, in diesen Auszeiten durch dokumentarische Bilder von den Umbauarbeiten unterhalten zu werden. Auf die Dauer ist das aber nicht interessant genug – das sollte sich doch bitte irgendwer was denken!