Eine Schulstunde in Wiener Moderne

Ausgerechnet von einem Finnen und einem britischen Orchester – was vielleicht anderorten als normales Programm mit gar nicht so wenig Sinn für Zusammenhänge dastehen mag, wirkt in Wien ein Wenig wie der Versuch, Nachhilfe zu geben.

An zwei Abenden gastierte das Philharmonia Orchester unter Esa-Pekka Salonen mit einem Programm von der vorletzten Jahrhundertwende, jener, an der sich in Wien Großes ereignete, das keiner wahrzunehmen schien.

Am ersten Abend spielten die Briten Arnold Schönberg und Alexander Zemlinsky: die frühe Verklärte Nacht des einen, die späte Lyrische Symphonie des andern – und zwar auch in dieser Reihenfolge, wie um auf die Kontinuitäten und Brüche dieser sich selbst gebärenden Moderne hinzuweisen.

Intensiv und fordernd, wie Schönbergs opus 4 nun einmal angelegt ist, hier in der späteren Orchesterfassung von 1919 gespielt, bleibt noch das Wurzelwerk, von der Motivik Wagners und der sich aus knappem Material entwickelnden Variationen bei Brahms kommend, bleibt noch die Herkunft dieses Neuerers sicht- und hörbar.

Ein ganz anderer, dem Alten noch deutlich mehr anhängender Forscher nach einer neuen Tonsprache war Alexander Zemlinsky, der Schwager Schönbergs, dessen Werk noch viel näher dem Mahlers steht als alldem Neuen, das da kommen sollte und von ihm auch tatkräftig gefördert wurde, wenn es auch niemals sein Stil werden konnte.

Zemlinsky ringt in seiner Lyrischen Suite mit dem Ausbruch aus dem Jugendstilhaften, mit dem übermächtigen Vermächtnis Mahlers, und wohl aus deswegen bricht der Satz immer wieder aus ins leichte, reduzierte Kammermusikalische.

Als Solisten sangen eine etwas schrille Solveig Kringelborn und ein hervorragend melodramatischer Juha Uusitalo die sieben Gesänge nach Tagore.

Eine gelungene Schulstunde in Wiener Moderne – fortgesetzt tags darauf im zweiten Konzert mit Schönberg und Mahler

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