Eines sei gleich verraten: zaubern tut die Zauberin Armida aus Ariosts Gerusalemme liberata hier keineswegs. Auch schweigt der Kampf um Jerusalem bis zum Schluss der Oper. Dem Libretto aus der Feder des Giovanni Palazzi geht es in dieser Auskopplung aus dem Monster-Epos einzig um die Ränke und Intrigen einer in Liebe entflammten Frau.
Antonio Vivaldi, der rote Priester, setzte in Armida al campo d’Egitto für den Karneval 1718 das zeittypisch verworrene Geschehen in liebreizende Musik – er findet mit einfach besetzten Streichern, zwei Theorben und obligatem Cembalo das Auslangen. Einzig im dritten Akt treten kurz zwei Hörner hinzu. Man mag das als Mangel ansehen, gerade wenn man Händels weitaus opulentere Orchestrierungen zum Vergleich heranzieht. Doch hat das fragile Klangkostüm der Vivaldi’schen Musik absolut seinen Reiz.
Die Handlung hingegen – mit den Personen Armida, Osmira, Adrasto, Emireno, Erminia, Tisaferno und einem Kalif – erweist sich als ganz und gar jenseitig: man bekommt die Verwirrnisse aus mehrerlei Gründen nicht wirklich mit. Wer nicht mit dem Kopf im Programmbüchel dasitzen möcht‘, hat gar keine Chance, zu wissen, wer wer ist – auch nicht von den Künstlern, noch dazu, da die meisten Sängerinnen dieses weiblich dominierten Ensembles in Wien nachgerade unbekannt sind. Doch bilden sie ein homogenes Ganzes!
Natürlich: die Venezianerin Sara Mingardo ist eine Berühmtheit, aber doch eher an der Scala als bisher in der Wiener Opernlandschaft zu Gast. Nicht zuletzt liegt das an der Stimmlage (der Staatsoper fehlt jegliche Kompetenz für Opern mit solchen Stimmen, da erweist sich schon das Abonnement auf die Wiener Philharmoniker als Nachteil).
Sara Mingardo liefert eine glanzvolle Partie der Armida – und macht damit die ganz und gar verhaltene Vorführung von Vivica Genaux von vor ein paar Tagen unter Altistinnen wieder wett. Hier ist neben tiefer Lage auch erstaunlicher Umfang zu hören, selbst klangliche Brillianz in den – relativen – Höhen.
MIr am besten gefallen hat die Mezzosopranistin Romina Basso (Adrasto) aus dem Friaul – zu hören übrigens auch auf der CD-Einspielung von Händels Tolomeo unter Alain Curtis. Eine dunkle, kraftvolle Stimme, klar gesungen und – wie es sich für barockes Musizieren gehört – ohne jegliches Vibrato. Die erste ließ mich aufhorchen, aber ihre zweite Arie „Agitata de venti dall’onte“ war einfach mitreissend!
Wirklich ausserordentlich auch die zweite Mezzosopranistin Monica Bacelli: ihre Osmira singt die recht delikaten Ausschmückungen mit Hingabe und Schmelz, dabei stets hell und sauber!
Ich muss zugeben: je öfter ich verschiedene Altistinnen und Countertenöre höre, desto mehr beginne ich mich auch in diese Stimmlagen einzugewöhnen. Bei CD-Aufnahmen sorgt zudem kein Bild für Irritation – wie hier im Theater an der Wien: der argentinische Counter Martin Oro sieht – mit kurz-gepflegtem Bart und ebensolchem Bauchansatz im grauen Anzug – wie ein soignierter Herr aus; umso ungewohnter ist es, wenn er anstimmt. Solche Diskrepanz am Rande der Lächerlichkeit macht mir abseits allen musikalischen Genusses noch immer zu schaffen. Auch wenn das natürlich mehr als unfair ist!
Martin Oro sang für mich dann auch die wahre Überraschung: die Arie „Quel torrente“ des Tisaferno im dritten Akt. Es machte dann gar nichts mehr aus, wie es aussah oder mir vorkommen mochte – es war einfach nur wunderschön und mit viel Schmelz und Hingabe gesungen!
Weniger zu tun hatte Bariton Furio Zanasi als Kalif – Vivaldi hat ihm vergleichsweise knappen Text zu singen gegeben. Die Erminia sang die Römerin Raffaella Milanesi, die auch auf etlichen Einspielungen zu hören ist und hier gute Figur in einer wenig zentralen Partie machte, stimmlich versiert und mit präzisen Verzierungen.
Die zweite Hauptpartie, die des nicht im Ariost vorkommenden Kriegers Emireno, sang Marina Comparato, sanglich perfekt, doch das kleine Weniger an Ausdruck war in diesem Kreis durchaus spürbar.
Unter der Leitung des Spezialisten für Alte Musik – und seines Gründers – Rinaldo Alessandrini spielte das Concerto Italiano einen leisen, sehr analytischen Vivaldi: präzise Ausführung, Perfektionismus pur. Der Nachteil: es gelang kaum je ein Ausbruch in die Affekte, welche die Figuren schüttelten. So gesehen hatten die Sängerinnen und Sänger leichte Begleitung, mussten sich aber selbst zu ihren Leistungen aufputschen.
Ein Gedanke zu “Eines roten Priesters Zauberin”