Dem Sänger-Ensemble ist zweifellos Glanz abhanden gekommen: Joyce DiDonato ist krankheisbedingt ausgefallen. Für sie springt die britische Mezzosopranistin Sarah Connolly ein, die als Publikumsliebling der Covent Garden Opera gilt, in Wien aber bislang nur in Konzerten zu hören war. Nun schafft sie es zumindest auf die Opernbühne, wenn auch vorerst nur in einer konzertanten Aufführung.
Auf dem Programm steht der Ariodante von Georg Friedrich Händel, ein an musikalischen Juwelen reiches Werk, in dem der Komponist im harten Konkurrenzkampf seines eigenen Opernbetriebs mit der neu begründeten und von Start weg erfolgreichen Nobility Opera alle Register zieht, inklusive einem bei Händel nicht eben zum standardisierten Inventar gehörigen Ballet.
Abgesehen von dieser Umbesetzung, die mich um das Vergnügen, Joyce DiDonao wieder einmal in persona zu erleben, gebracht hat, entpuppt sich das Ensemble aber als erstaunlich gut besetzt, gerade zu grandios: Einspringerin Sarah Connolly wählt einen eher zurückhaltenden Ton, bemeistert damit vor allem die leisen Passagen im ersten und zweiten Akt mit subtiler Ausdruckskraft und viel Gefühl, wenn auch etwas unterkühlt, mithin fehlt dabei der dem Glühen von Leidenschaften gewidmete Teil des Händelschen Gestaltungsspektrums. Nichts desto trotz ist jeder ihrer Auftritte ein intensives Erlebnis.
Vor allem die Arie Scherza infida im zweiten Akt gelingt Sarah Connolly mehr als eindrucksvoll. Da ist nach all dem Applaus ein ehrliches Danke mehr als angebracht.
Ihr zur Seite als Königstochter Ginevra die Kanadierin Karina Gauvin: zarter Schmelz, großes Gefühl, hier umso mehr Feuer und Leidenschaft. Ihre Landsfrau, Altistin Marie-Nicole Lemieux, brilliert als Polinesso mit quirligen Gesten, stupendem Stimmumfang und wuchtiger Stimmpräsenz. Beide scheinen einander einen Wettstreit der Koloraturen zu liefern, bei dem es zur Freude des Zuhörers sehr ironisch und mit einem Augenzwinkern engagiert zugeht. Heraus kommen in dessen Verlauf famose Momente barocker Musikalität. Das Duo war bereits in Giulio Cesare in Egitto zu erleben, doch diesmal gelingt höhere Intensität, springt ein Funke vom Spaß, den die beiden offenbar haben, ins Publikum über.
In der Arie Dover, giustizia, amor läuft Marie-Nicole Lemieux zu wahrer Höchstform auf: einerseits ist es faszinierend zu sehen, wie körperlich aufwändig Atemtechnik werden kann, wenn die endlosen Läufe der Koloraturen sehr viel Luft erfordern. Andererseits ist das gesangliche Ergebnis meisterlich. Diese Frau ist ein Orkan.
Als Dalinda ist die junge Spanierin Sabina Puértolas zunächst einmal der optische Aufputz, sie klingt in ihrer ersten Arie früh im ersten Akt recht schrill, es fehlt an Volumen. Dann hat sie leider über weite Strecken nur die Aufgabe, in den Rezitativen die Stichwörter zu bringen, sodass es bis in den dritten Akt dauert, ehe man von ihr eine wahrhaft große Arie zu Gehör bekommt. Und siehe, sie kann es!
Im Duett mit Tenor Nicholas Phan als Lurciano wird echtes Musiktheater lebendig. Der singt brav, mit glattem Ausdruck und stimmlicher Brillianz. Wenig spektakulär dagegen der Re di Scozia von Bassbariton Matthew Brook.
Das Ensemble Il Complesso Barocco musiziert unter seinem Leiter Alan Curtis gewohnt präzise, insbesondere die solistischen Fähigkeiten, die Händel in der Begleitung einiger Arien erfordert, gelingen in aller gebotenen Schönheit. Ihnen dankt sich nicht unwesentlich ein ernsthaft schöner und trotz dreieinhalb Stunden Dauer kurzweiliger Abend!
Auf Tonträger ist diese Produktion von Händels Ariodante – allerdings mit Joyce DiDonato in der Titelrolle – ebenfalls erhältlich:
Ich glaube, diese Aufnahme ist der von Marc Minkowski überlegen, aber das ist letztendlich bei zwei perfekten Produktionen auch und zuinnerst Geschmackssache.