Von den vielen Opern und Oratorien des Georg Friedrich Händel ist Jephtha eine der ganz schwachen: nicht dass es nicht herrliche musikalische Miniaturen gäbe, es fehlt dem Werk jeglicher Esprit, die ganze Grazie Händels macht sich durch Absenz bemerkbar, sowohl in der orchestralen Bearbeitung als auch in den Stimmen.
Man muss dabei gar nicht erst darauf eingehen, dass biblische Themen noch mopsiger sind als herkömmliche Opernstoffe, dass ein Libretto rund um Gottes Wirken signifikant weniger hergibt als eines um menschliche Querelen und Quälereien.
Es singen ein hervorragend disponierter Kurt Streit in der Titelpartie, die auch in der Staatsoper in Händels Alcina glänzende schwedische Mezzosopranistin Kristina Hammerström, sowie die überaus pretiöse englische Sopranistin Katherine Watson. Daneben noch Counter David D. Q. Lee, Bassbariton Neal Davies und die schottische Sopranistin Rachel Redmond – und der Chor des Ensembles Les Arts Florissants.
Die Musiker von Les Arts Florissants stellen unter der Leitung von William Christie die letzte Oratorien-Partitur Händels sachgerecht in den Raum des Theaters an der Wien, aber mehr ist da mangels Masse auch nicht zu wollen.
Jephtha ist ein Fürchtebeispiel für das ganze Genre. Händel hat am Ende seines Lebens, als er schon mit der Erblindung kämpfte, keine großen Würfe mehr vollbracht, selbst da, wo er ausgiebig sich selbst zitierte.
Man kann durchaus exquisite Stellen finden, etwa Jephthas Arie der Befreiung, als ihm der Erlass der Opferung seiner Tochter verkündet wird, oder wo im zweiten Akt der Schmerz der Mutter Storgè mit echter Empörung und Verzweiflung changiert – einer der besten Momente für Kristina Hammarström! Ja, auch die leisen Töne von Tochter und Opfer Iphis haben schmelzend lyrische Momente von höchstem Format…
Alles in allem aber herrscht, da im biblischen Lehrstück naturgemäß wenig Abwechslung vorgesehen ist, eine – zugegebenermaßen exquisite – Langeweile, die aber nichts desto trotz sehr an der Geduld des Zuhörers zehrt. Da fehlt einfach der Händel in diesem Händel. Im Vergleich zu seinem Jugendwerk Il Trionfo del Tempo e del Disinganno gibt es hier wenig Erfreuliches – und ich bin überzeugt, dass das entschieden auch am Unterschied der Themen liegt: das Heidnische hat einfach viel mehr zu bieten als der öde judäochristliche Galimathias.
Vermutlich markiert dieser Jephthta auch den Anfang vom Abstieg der englischen Musik in ihre jahrhundertelange Bedeutungslosigkeit, aus der sie sich erst unserer Tage wieder zu befreien vermag.
Da sitz‘ ich nun und bereue: wieso hab ich mich nicht für das Küchl Quartett im Musikverein entschieden, zweimal Beethoven und einmal Schostakowitsch? Selber schuld.