Skrupellose Kürzung

Barocke Opern haben in den augen – respektive den Ohren – vieler Menschen so ihre Längen und vertragen, meinen sie, ganz gut den einen oder anderen Strich. Nun ist aber erstens ein Zusammenstreichen auf zwei Drittel der ursprünglichen Länge zweifellos schon eher eine Verstümmelung als alles andere, und zweitens die Iphigénie en Aulide von Christoph willibald Gluck keine Barockoper mehr.

Wozu sich der musikalische Leiter, Alessandro De Marchi, und sein Regisseur Torsten Fischer unter der Duldung des Intendanten Roland Geyer da zusammengerottet haben, ist schon kein Kavaliersdelikt mehr. Wer Glucks gesamte zweite Iphigénie kennt, weiß, dass der Komponist keine Note zu viel hingeschrieben hat, gerade er, dem insbesondere der viele Zierat und die steten Wiederholungen seiner Vorgänger ein Gräuel waren. Wenn als Herr Fischer meint, durch seine Eingriffe den ursporünglich zugrunde liegenden Euripides wieder ins Recht gesetzt zu haben, so muss man dem entschieden entgegnen, dass ein Libretto nicht notwendigerweise an seine Vorlage gebunden zu sein braucht.

Man tut sich aus diesem Grunde wirklich schwer, diese verstümmelten nicht einmal zwei Stunden in irgend einer Weise ernst zu nehmen. Billiger hat man die Karten ja auch nicht hergegeben.

Dabei gab es einen selten gewordenen, jedoch hier glänzend disponierten Bo Skovhus als Agamemnon zu sehen und zu hören, als Klythemnestra ihm zur Seite die intonationssichere, kraftvolle südafrikanische Mezzosopranistin Michelle Breedt – und die junge Griechin Myrtó Papatanasiu: ich habe noch selten eine so intense Iphigénie gehört! Und gespielt hat sie wahrhaft göttlich.

Denn, das könnte man dem Konzept von Torsten Fischer getrost nachsagen, wäre da nicht der mörderische Eingriff in die Partitur, die Inszenierung wäre stimmig angelegt gewesen, wenn auch die Bühne von Vasilis Triantafillopoulos etwas zu plakativ auf die ganz Dummen abgestellt gewesen wäre. eine indiskutable Aufführung, auch wenn die Sänger – bis auf den hörbar schwächelnden Paul Groves als Achilleus – durchaus Bedeutendes geleistet haben.

… aber ich möchte ein Oper hören, und keinen Auszug! Die lautesten Buhrufe gebühren daher dem Intendanten, der solches zugelassen hat!

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