Endlich wieder Oper!

Nach zwei musikalisch eher unergiebigen Aufführungen – Rameaus Castor et Pollux und Lullys Bellérophon – endlich wieder ernsthafte barocke Oper: das Theater an der Wien bringt die letzte Oper aus der zweiten Londoner Serie von Georg Friedrich Händel, Berenice, Regina d’Egitto in konzertanter Aufnahme. Und siehe, da wird wieder wunderbar gesungen – und man kann Meister Händel gewiss nicht vorwerfen, dass sein Ideenportfolio etwa weniger umfänglich oder seine Instrumentationskunst geringer wäre als die der beiden Franzosen. Wird jedoch bei jenen partout nicht gesungen, so erlaubt Il Sassone – wie Händel aufgrund seiner sächsischen Herkunft ehrfurchtsvoll genannt wurde – wahres Schwelgen in Sangeskunst.

Alan Curtis hat ein Ensemble von Spezialisten mitgebracht: leider ist Romina Basso kurzfristig wegen Erkrankung ausgefallen, sodass rasch für Ersatz gesorgt werden musste – die Italienerin Milena Storti springt dankenswerter Weise ein und schafft das Kunststück, den Part der Selene innerhalb nicht einmal eines Tages zu lernen und tadellos über die Bühne zu bringen. Sie hat damit ganz eindeutig den Abend gerettet.

Aus dem Sängerensemble ragen eindeutig die Berenice Klara Ek und Demetrio Franco Fagioli heraus: beiden hat der Komponist herausragende Partien geschrieben, glänzende Arien und viel Leid und Schmerz, den sie beide grandios zu interpretieren verstehen.

Klingt die Berenice in ihrer Auftrittsarie noch etwas schrill, so gibt sich das zum Glück im Laufe des ersten Aktes, und ihre Glanzstücke im zweiten und im letzten Akt verschaffen ungetrübten Genuss. Insbesondere ihre lange Arie Chi t’intende mit dem berühmt gewordenen Duett mit der Solo-Oboe gehört zum spannendsten, was seit langem hier im Haus zu hören war. Pikant moduliert zwischen Ratlosigkeit, Ärger und Verzweiflung, glänzt die schwedische Sopranistin mit gezielten Höhen und schwindelerregenden Koloraturen.

Der Demetrio ist von Anfang an brilliant. Der argentinische Countertenor bewegt sich sicher in den fachtypisch virtuosen Verzierungen, ohne den festen Grund unter den Beinen zu verlieren – wahrhaft bravourös.

Die gleichfalls schwedische Sopranistin Ingela Bohlin ist die eindeutige Beherrscherin der Sympathien an diesem Abend: ihr Prinz Alessandro strahlt jugendliche Kraft, feste Prinzipien und ehrliche Leidenschaft, fast als wäre man in einer szenischen Aufführung. Ihr Sopran fällt – anders als der ihrer Landsmännin Ek – niemals ins Schrille, leider hat sie deutlich weniger zu singen.

Hervorzuheben ist aber auch der Arsace der griechisch-stämmigen kanadischen Mezzosopranistin Mary-Ellen Nesi: weiches Timbre, klare Phrasierung, Festigkeit – ideal für Händels aufwändige Charaktäre.

Solid auch die zwei anderen Männer, der junge Florentiner Tenor Anicio Zorzi Giustiniani als Fabio, sowie der norwegische Bariton Johannes Weisser als Aristobolo.

Wunderbar präzise und luzid musizieren Il Complesso Barocco unter dem Dirigat von Alan Curtis. Unbedingt erwähnenswert die lyrische Solo-Oboe von Vinciane Baudhuin.

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