Es gibt die Genies unter den Komponisten – und unter diesen wiederum jene, die sich die Meisterwerke locker flockig nur so aus dem Ärmel zu schütteln schienen, oder die anderen, denen jeder Schaffensprozess ein gerüttelt Maß an Leid und Müh‘ abverlangte: Mozart und Haydn gehören in die erste Gruppe, aber auch Schostakowitsch, Stravinskij oder Vainberg, dagegen Beethoven in die zweite, Mahler, Schönberg und Berg. Bei Brahms dagegen hat man fast immer den Eindruck, er schriebe fürs Examen oder um einem ungleich Größeren – den alten Beethoven nämlich – das eigene Format zu beweisen; so klingt es jedenfalls.
Das Hagen Quartett gastiert mit dem Streichquartett Es-Dur Hob. III/38 ‚Der Scherz‘ von Joseph Haydn und dem Streichquartett Nr. 4 Sz 91 (1928) von Béla Bartók: ein quirliges Stück zum Aufwärmen und ein Meilenstern der Quartettliteratur des Zwanzigsten Jahrhunderts in atemberaubender Interpretation. Der tosende Applaus ist zweifellos verdient…
Nach all der Begeisterung kann ich wieder einmal mit Johannes Brahms wenig anfangen: sein Streichquartett Nr. 3 B-Dur op. 67 von 1875 ist ein halbes Jahrhundert nach Beethoven entstanden und dennoch von seiner übermächtigen Figur überschattet. Der Hamburger Komponist müht sich hörbar ab am unerreichbaren Vorbild, das Ganze klingt sehr fragmentiert, im vierten Satz dann picksüß – aber insgesamt kein Bisschen überzeugend. Mein Versäumnis wars, nicht rechtzeitig abzuhauen.