Ein Telefonbuch des Hochmittelalters

Man soll ja nicht böse sein – oder aber doch, wenn es nötig ist. Die detaillierte Arbeit des Historikers in allen Ehren, doch manches Mal ist es eher mühsam, als Leser diesem Fleiß einer geborenen Sammlernatur zu folgen. So ist die derzeit in wohlfeiler Ausgabe erhältliche Monografie des sizilianischen Staufers Friedrich II des emeritierten Stuttgarter Mediävisten Wolfgang Stürner ein äußerst detail- und damit namensreiches Werk:

Wolfgang Stürner - Friedrich II

Allerdings – und damit gleich eingangs zur Schwäche des Werks – ist das fortwährende Aufzählen von Kohorten hinsichtlich ihrer Wichtigkeit nicht zu beurteilender Personen, von denen oft nicht viel mehr auf uns gekommen ist als eben der Name, eine sich stets aufs Neue auftürmende Hürde bei der Lektüre.

Friedrich II – 1194 bis 1250 – aus dem Geschlecht der Staufer erbte einerseits von seines Vaters Heinrich VI Seite das sizilische Reich, das eine Generation zuvor von den Normannen errichtet worden war, andererseits gegen den nicht von allen geliebten Wittelsbacher Otto IV die Krone des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, die gleichfalls schon sein Vater getragen hatte. Er erstritt sich in jungen Jahren beides, das Regnum Sicilie wie das deutsche Imperium, geriet aber alsbald mit den beharrlich einander in die Fußstapfen tretenden Päpsten in Konflikt – und bot ihnen reichlich Angriffsfläche. Zunächst brauchte er ihre Mitwirkung und Unterstützung gegen Otto, wofür er ihnen die Durchführung eines Kreuzzugs versprach – und gab sich anschließend die Blöße, diesen über viele Jahr hin wieder und wieder zu verschieben, was schließlich zu seiner Exkommunikation führte.

Friedrich hielt seinen Kreuzzug dann doch noch ab, gewann den Christen Jerusalem zurück – allerdings ohne einen rechten Kampf, eher durch Verhandlungen, was ihm prompt den Ruf eines Sarazenenfreundes eintrug. Da war es auch wenig hilfreich, dass Friedrich gar nicht wenige Errungenschaften des Morgenlandes als solche erkannte und ins rückständige Europa mitbrachte, als er sich anschickte, Regnum und Imperium erneut unter seine Herrschaft zu bringen.

Unter den Kaisern des Mittelalters ist dieser Staufer freilich eine der interessanteren Figuren, nicht bloß der atemberaubenden Architektur wegen, die er in Süditalien und Sizilien hinterlassen hat. Nach der Lektüre von Stürners Biografie bleibt jedoch vom Exotischen und Geheimnisvollen dieses Mannes wenig – das ist durchaus ein nicht zu schmälerndes Verdienst dieses Buches.

Dass man jedoch über manche Strecke der Darstellung die Anmutung hat, man befinde sich in einer Wiederholungsschleife, mag jedoch dem Fortgang der Historie geschuldet sein: sowohl die Granden in des Staufers sizilischem Reich als auch die deutschen Reichsfürsten und erst recht die immer schon egoistischen Päpste versäumen keine noch so kleine Chance, ihre partikulären Interessen gegen die des Kaisers zu befördern, sodass sich eine fortwährende Reihe von diffusen Händeln entwickelt und gnadenlos abspult, in deren Verlauf ein jeder seine Schäfchen ins Trockene zu retten versucht. Die Argumente drehen und wenden sich dabei nach jeweiliger Brauchbarkeit, die Guten wie die Bösen sind jedes Mal andere, lediglich die Päpste halten sich recht konstant auf der dunklen Seite.

Das Buch ist vermutlich auf Jahre hinaus die umfangreichste und kompletteste Biografie Friedrich II und gleichzeitig ein probates Panorama seiner Zeit. Stürners Sprache holpert ein Wenig, doch gibt es wahrlich Schlimmeres in deutscher Wissenschaft.

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