Überzahlter Blindflug

Mailand. Wenn man ein Haus nicht kennt, riskiert man, im Out zu sitzen. Dagegen hilft in der Regel nur, reichlich Budget bereit zu stellen.

Die ehrwürdige Scala ist ein überraschend kleines Haus, dafür sind die Preise ungebührlich hoch. Meßbar wird das, wenn man für 140 Euro noch nicht mal auf die Bühne sieht. Da beginnt man, sogar die Wiener Staatsoper wieder liebzuhaben – rumänische Direktoren hin oder her. Und Opernbesucher, die sich in der ersten Pause trollen, als säßen sie auf einem Freiplatz. So kam es, dass ich im ersten Akt rein gar nichts, in den beiden weiteren zumindest unter Verrenkungen ein paar Blicke erhaschen konnte.

Musikalisch jedoch kann man den Mailändern rein gar nichts vorwerfen – ein zweiter Unterschied zur Staatsoper. Selbst in einer wieder und wieder aufgelegten Produktion wie I due Foscari von Giuseppe Verdi strahlt der Glanz der Scala unwiderstehlich.

Als Doge und damit erster Foscari stellt Leo Nucci eine gewichtige, vom Gepränge der Serenissima schwer gewordene Figur dar, hin und her gerissen zwischen väterlicher Sorge und der Strenge des Amts.

Als Sohn und damit zweiter Foscari prägt Fabio Sartori einen Verzweifelten, der gegen ungerechtfertigte Verdächtigung kämpft und daran scheitern muss. Ihm zur Seite Julianna di Giacomo als Lucrezia Contarini, die ihren Mann an den Mahlstrom der Verurteilung verliert – und daran gleichfalls verzweifelt. Die innigen Szenen zwischen den beiden im zweiten Akt gelingen intensiv und ausdrucksstark, ein Genussstück der Opernliteratur.

Obwohl I due Foscari eine der weniger bekannten Opern Verdis ist, bietet sich ein geschmeidiges, mit gesanglichen Juwelen gespicktes Werk, das unter dem Dirigat von Stefano Ranzani erklingt wie nur irgendeine der großen Opern Verdis. Man scheint in Mailand noch mit mehr Herzblut bei der Sache Oper zu sein.

Über die Inszenierung von Cesare Lievi und die Ausstattung von Maurizio Balò läßt sich aufgrund der schlechten Sichtverhältnisse nur wenig sagen. In den Passagen, die ich sehen konnte, wirkte die Sache recht statisch, eine klassische Stehpartie, wie man zu Wien sagen würde. Optisch dominierten bauschige, schnörkelige Dekors, ein beherzter Griff in den Fundus eines Hauses, das immerhin mehr als ein Jahrhundert älter als sein Wiener Pendant ist.

Ganz und gar indiskutabel ist aber der Wein im Foyer – es muss als Meisterleistung betrachtet werden, im Italien einen dermaßen ungelenken Tropfen überhaupt aufzutreiben.

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