Maskenball zu Minga

München ist nun wirklich ein Dorf. Das kann man der Stadt aber nicht bloss aufgrund ihrer verlorenen Anlage nachsagen, oder wegen der umfänglich praktizierten Fassadenmalerei, die – so großflächig betrieben wie in der Residenz – lächerlich wirkt, eher wie ein Will-schon-kann-aber-Nicht beim Versuch, mit größeren Fürsten und Höfen mitzuhalten.

Ein ähnlich zwiespältiges Bild bietet auch die Bayrische Staatsoper – derzeit. Ihre große Zeit dürfte – unter Generalmusikdirektor Kent Nagano – von einer Pause der Orientierungslosigkeit abgelöst worden sein. Immerhin gibt es einige der großartigen Produktionen vergangener Saisonen zumindest auf DVD.

Erwartungsvoll gestimmt betritt der ahnungslose Opernliebhaber das Gebäude des Nationaltheaters – und findet sich in einer durchweg overdressed wirkenden Gesellschaft von gesetzten Schickis wieder, denen man schon auf den ersten Blick zutrauen kann, auch auf ihren Ohren zu sitzen. Und das Gebäude selbst ist ein arg pompöser Monumentalbau ohne sinnvolle Proportionen, verkitscht mit einigen abgöttisch häßlichen Kronlustern, die obendrein etwas billig wirken. Sitzen aber tut man bequemer als in beiden Wiener Opernhäusern.

Verdis Ballo in Maschera ist eine nicht so schwierige, dafür umso publikumsträchtigere Aufgabe, derer sich auch Provinzbühnen normalerweise recht ordentlich entledigen. Auf der Bühne zu München aber regiert eher die Ratlosigkeit, wie sie von allzuviel Wiesenbesuchen herrühren mag.

Ein quirliger Oscar – hervorragend gesungen von der jungen Kroatin Lana Kos – wird aber offenbar von der Regie (Spielleitung Elisabetta Boccaserva) ohne in die Rolle oder die Situationen eingepasste Bewegungsanweisungen gelassen, sodass sie manchmal herumhüpft wie ein Harlekin oder sich Frechheiten herausnimmt wie Lear’s Narr, was in der Gegenwart ihres Königs der Figur des Pagen so recht überhaupt nicht zukommen mag. Naja, vielleicht am Hof der Wittelsbacher, was weiss man denn.

Große Dramatik und schöne Anlagen zum Belcanto liegen in der Rolle der Amelia, die in diesem Fall von Iano Tamar dermassen gebrochen angelegt wird, dass man sich beinah um ihre Stimme Sorgen zu machen beginnt. Ein Wenig blitzt Verdi auf, wenn sie ihrer Liebe für den König – allzu kurz – ihren Lauf läßt.

Die Wahrsagerin und Teufelsanbeterin Ulrica, effektvoll verkörpert von Jane Henschel, verstrickt sich regiekonform in allerhand Hokuspokus, gesanglich ist aber nicht viel los.

Bei den Männern werden sowohl der König – von Franco Farina – als auch Graf Anckarström – von Franco Vassallo – leidlich gesungen, in seiner Wut schwingt der Graf sich sogar zu sanglicher Brillanz auf.

Immerhin gab’s in der – mit 40 Minuten etwas zu langen – Pause im Foyer Vanilleeis mit warmen Himbeeren. Wer sagt’s denn: kalt-warm, recht süss und schnell am Schmelzen. Wie der Maskenball in Minga.

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